Zum Jubiläum der Partnerschaft:Très bien!

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Zwei Orchester und zwei Chöre aus Grafing und Saint Marcellin gestalten das Konzert zum Jubiläum in der Pfarrkirche. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der Grafinger Pfarrkirche beben beim Konzert mit Saint Marcellin die Wände

Von Camille Scherer, Grafing

"Oh, wo ist mein Stab?", "Mein Notenständer ist mir abhandengekommen", "Schhhhhht". Ein Rascheln, Gegenstände fallen auf den Boden, noch ein paar Instrumententaschen werden auf und wieder zu gemacht. Dann geht es los.

Mit dem gefühlvollen Lied "The Rose" von Bette Midler leitet die Grafinger Stadtkapelle das deutsch-französische Konzert am Donnerstagabend in Sankt Ägidius ein. Die sonst so große Pfarrkirche wirkt auf einmal recht klein, denn ganz Grafing hat sich hier versammelt. Schließlich gibt es etwas zu feiern: Die Städtepartnerschaft mit Saint Marcellin in Frankreich existiert bereits seit 25 Jahren. Und dank der vielen engagierten Bürger besteht eine starke Bindung zwischen den Bewohnern beider Orte. Das ist auch bei dem Konzert nicht zu überhören: Die Grafinger Stadtkapelle, das große Orchester La Lyre aus Saint Marcellin, der Grafinger Kirchenchor und der französische Chor Vocal Song musizieren miteinander, als wären sie nie getrennt gewesen. Die beiden Orchester spielen den "Walzer Nr. 2" von Dmitri Schostakowitsch und das moderne Lied "Over the Rainbow" von Harold Harlen gemeinsam. Es ist eine Schau von circa 40 Musikern, sowohl Männer als auch Frauen jeder Altersgruppe stehen auf der Bühne.

Auch die Sänger des evangelischen Kirchenchors unter Leitung von Rita König geben sich viel Mühe, die guten deutsch-französischen Beziehungen zu demonstrieren: Sie singen erst auf Französisch, dann auf Deutsch das Lied "Vois sur ton chemin - Zieh auf deinen Weg" von Bruno Coulais. Der Song wurde durch den bewegenden französischen Film "Die Kinder des Monsieur Mathieu" bekannt und begeistert die Menge sichtlich, viele singen und schwingen mit. Bei dem Lied "The Lord bless you" von John Rutter wird es im Haus Gottes auf einmal ganz still: Das Publikum ist berührt und genießt den Moment des musikalischen Austauschs sichtlich.

Als dann La Lyre "Oh Happy Day" von Edwin Hawkins spielt, wird sogar mitgeklatscht. Das französische Orchester besteht ebenfalls aus einer Mischung aus Jung und Alt, hauptsächlich aus Bläsern und einem Gitarristen, der besonders bei dem Lied "Another brick in the Wall" von Pink Floyd für einen kurzen Augenblick zum Star wird. Er sitzt über dem Orchester mit seiner beigen E-Gitarre und rockt die Bühne.

Die französische Gruppe Vocal Song ist eine etwas chaotischere Truppe - macht dies aber wett mit viel Charme. Nach anfänglicher Suche nach diversen Gegenständen - nach einem Stuhl für den Pianisten, der gleichzeitig dirigiert, oder nach einem Notenständer - legen sie mit "New York, New York" von John Kander los, gehen dann über zu "Cantique de Jean Racine" von Gabriel Faure und enden mit dem Song "Canon des scats" von Pierre-Gerard Verny, bei dem das einzige "Instrument" das Schnipsen der Finger ist.

Die Ägidius Kirche bietet den perfekten Ort für dieses Spektakel. Denn die Kirche ist nicht nur bestens erhalten, riesengroß und prachtvoll, sondern auch voller Details, die für ein solches Konzert wichtig sein können. So sitzen beispielsweise vier große Heilige hinter den Musikanten und werden im Laufe des Abends, mit sinkender Lichteinstrahlung, immer präsenter und machen den Anschein, Teil des Publikums zu sein. Auch könnte man von einem gelb-weißen, über den Musikern in Dreiecksform gespannten Band meinen, es sei ein "Dach" über ihren Köpfen, fast, als seien sie hier besonders geschützt.

"Das ist wirklich eine Zusammenkunft besonderer Art", sagt eine Frau mit einem Funkeln in den Augen. Ein anderer Mann spricht von einer "konzertvollen Überraschung". Er spielt damit allerdings auch darauf an, dass an diesem Abend eine Moderation bezüglich des Repertoires und der Besetzungen fehlt. Zwar wird zu Beginn ein Programm verteilt, doch dessen Reihenfolge von Liedern, Gruppen und Dirigenten wird letztlich nicht eingehalten. Das allerdings ändert überhaupt nichts an der Begeisterung der vielen Zuhörer, die am Ende wild klatschen.

Fest steht: Ein gemeinsames Konzert wie dieses ist eine sehr schöne Art, die deutsch-französische Beziehung wertzuschätzen. Alle Musiker sind an diesem Abend schwarz gekleidet, selbst die Stadtkapelle hat auf ihre bayerische Tracht verzichtet. Auch diese äußerliche Uniformierung ist wohl als ein Zeichen der Gemeinschaft und Gleichheit beider Nationen zu verstehen.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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