Zorneding:Gedanken in Stahl gegossen

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Der Bildhauer Heinrich Knopf verrät wenig über das "Archata" genannte Werk, das er am Sonntag in seinem Atelier in Ingelsberg dem Publikum präsentiert hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Bildhauer Heinrich Knopf präsentiert in seinem Zornedinger Atelier im Ortsteil Ingelsberg sein neues Werk "Archata". Zur Installation hat der Künstler kleine Geschichten verfasst, die zum Gespräch anregen sollen

Von Rita Baedeker, Zorneding

Für den Zornedinger Bildhauer Heinrich Knopf birgt jeder Moment, jedes Ding, ein Geheimnis. Darin ist er sich einig mit dem Physiker Albert Einstein, der in seinem "Glaubensbekenntnis" folgende Gedanken formuliert hat: "Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös. Es ist mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen."

Schon lange vor der Präsentation seiner Arbeit "Archata" am Sonntag in seinem Atelier in Ingelsberg hatte Knopf, der Einsteins Text als Credo seines Kunst- und Weltverständnisses an eine Wand geheftet hat, einen Schleier des Mysteriums über das Werk gelegt. Allein schon der Name. "Sie werden dazu keine Übersetzung finden", sagt Knopf mit feinem Lächeln. "Aber was Ihnen spontan dazu einfällt, damit liegen Sie vermutlich richtig." "Archata" ist eine Wortschöpfung, darin steckt das Wort Archiv, also die Idee des Bewahrens und Sicherns und: ein Geheimnis.

Ein paar Erklärungen oder vielmehr Geschichten gibt Knopf zu den zwölf unterschiedlich großen, zwischen acht und 74 Kilogramm schweren vieleckigen Brocken aus Stahl, die wie die Kultstätte einer Anderwelt, wie geschliffene Edelsteine einer Zivilisation von Riesen auf dem Boden des Ateliers arrangiert sind, aber doch preis. "Ich sitze hier und erfinde Wortkombinationen", lautet eine. Andere handeln von Dracheneiern, einem Garten voller Rätsel und Überraschungen, von einer Kneipe voller Tabakdunst, von einem Kaufmann und seinen bunten Tüten, von Entdeckungen, von Verlust und Schönheit, von unwiederbringlichen Momenten der Stille und von Dingen, die der Welt verloren gehen. Jede der Geschichten ist einem "Archat" zugeordnet, einem Gedanken, den es zu bewahren gilt, einem unter den vielen Tausend, die einem tagtäglich durch den Kopf flitzen, wie Knopf sagt. Und jede Fläche seiner Plastiken zeigt dem Betrachter eine neue Sicht, ermöglicht neues Erleben.

Daneben, auf einem Tisch, liegen ähnlich arrangierte, aber sehr viel kleinere Stahlteile. Schüttelt man sie, hört man darin verschiedene und verschieden hohe Knister- und Klappergeräusche, vielleicht erzeugt von Kieselsteinchen, von Perlen, Nüssen oder gar von winzigen Meteoriten, direkt herabgefallen in einen Traum. Was tatsächlich drin ist? Schon wieder ein Geheimnis. Heinrich Knopf setzt der Fantasie, welche sich an den Brocken entzündet, keine Grenzen. "Wenn man sie schüttelt, fällt das Glück heraus", sagt er. Welch schönes Bild. Hoffen wir nicht immer, dass aus allem, was wir anpacken, das Glück herausfiele, dass alles Neue sich als Wundertüte entpuppen möge?

Nun geht es dem 1949 in Sindelfingen geborenen Ingenieur und Bildhauer, von dem zahlreiche Großplastiken im öffentlichen Raum zu sehen sind, nicht darum, mit seinen Gästen Ratespiele zu veranstalten. "Die Idee ist, mit meiner Kunst bei den Menschen neue Gedanken zu initiieren und Gespräche in Gang zu setzen", sagt er. Plastiken, so formuliert er es, sind "Manifestationen des Geschehens, sind Blitzlichter, die einen Moment festhalten". Als wandelbare, den Wandel spiegelnde Geheimnisträger sollen sie in einen "Dialog" treten, untereinander, aber auch mit dem Publikum. Heinrich Knopf hat eine Vorliebe für Mythen und Metamorphosen, etwa bei seiner stählernen "Transfiguration des Wasserstrahls" und den "Urformen kosmischer Verwandlung". Regelmäßig sind seine Arbeiten auch in der Galerie "Kurzparkzone" in der Hans-Sachs-Straße in München zu sehen.

Nun heißt es aber erst mal Abschied nehmen von den "Archata". An diesem Mittwoch werden die Steine aus Stahl verladen und reisen nach Berlin zur Ausstellung "Im Dialog mit Muthesius", die am 5. Juni im dortigen Landhaus de Burlet eröffnet wird. Was danach aus ihnen wird? Heinrich Knopf lächelt wieder und zuckt mit den Schultern. "Wer weiß das schon?" Irgendwer wird die Geheimnisse dieser mystischen Objekte weitertragen und bewahren, wird die Geschichten weitererzählen oder neue erfinden.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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