Zorneding:Ende der Geschichte

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Der Ebersberger Mediziner Hajo Schneck bereist für die Hilfsorganisation Interplast auch oft Afrika. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Ebersberger Arzt Hajo Schneck reist für die Hilfsorganisation Interplast häufig nach Afrika. In einem Vortrag spricht er über Menschheitsentwicklung, Migration und düstere Zukunftsaussichten

Von Peter Kees, Zorneding

Die Botschaft lautet: schuld an allem ist der Ackerbau. Zumindest wenn es nach Hajo Schneck geht. "Die heutigen Unterschiede in der zivilisatorischen und technischen Welt haben ausnahmslos mit äußeren Gegebenheiten zu tun," so steht es auf einem Dia beim Vortrag, den der promovierten Mediziner nun im Gemeindesaal der Christophoruskirche in Zorneding hielt. Gemeint sind geografische, geologische und klimatische Bedingungen. Der Referent holte für diese These weit aus. Er beginnt in Afrika, vor fünf bis sieben Millionen Jahren.

Dort nämlich, so führt er aus, beginnt die Menschheitsgeschichte. Es sei der menschlichen DNA zu entnehmen, dass wir alle aus Afrika stammen. Afrika war damals - anders als heute - ein fruchtbares Land. Es waren später schlicht klimatische Veränderungen, die dazu führten, dass der "Homo erectus", der aufrecht gehende Mensch, auswanderte und die Welt bevölkerte. Auswanderungen, so Schneck, sind immer Folgen veränderter Ernährungssituationen. "Es geht immer nur darum, etwas zu Essen zu finden." Und weil die Region des "Fruchtbaren Halbmondes", zwischen Persischem Golf und Mittelmeer gelegen und auch als Zweistromland Euphrat und Tigris bekannt, glückliche Umweltbedingungen hatte, beginnt dort, vor etwa zehn- bis fünfzehntausend Jahren, der Ackerbau und damit die Sesshaftwerdung das Menschen.

"Zufällige Umweltfaktoren" ließen unsere Spezies vom Jäger und Sammler zum Bauern und Viehzüchter werden. Das hat Folgen, etwa in der Steigerung der Produktivität, schließlich arbeitet man für die Ernährung nun anders. Daraus resultiert ein Kreislauf: man will mehr Kinder zeugen, um mehr Nahrung produzieren zu können, die man wiederum auch braucht, weil die vielen Kinder etwas essen wollen, und so weiter. Ohnehin, des Menschen genetischer Auftrag lautet, sich zu vermehren. Mit der Sesshaftigkeit kommen kulturelle Entwicklungen: um Getreide speichern zu können, muss man rechnen können. Daraus entsteht die Schrift und schließlich ein Bildungssystem, Administration und eine dafür notwendige Hierarchie samt Machterhaltungsvertretern wie Militär, denn der Höchste, etwa ein König, muss bestätigt, geschützt und natürlich auch ernährt werden. Die privilegierten Eliten bauen immer größere Tempel, Paläste, Kirchen und Grabmale. Zwar hat man nun die Energie für andere Dinge, erfindet etwa das Rad, aber man beginnt auch für andere zu kämpfen und zu töten. So, sagt der Mediziner, nimmt das Übel seinen Lauf.

Der Vortrag vom ehemaligen Leiter der Anästhesie im Ebersberger Krankenhaus war mit "Was ist los mit Afrika? - ein Abgesang in vier Akten" betitelt. In Afrika begann es einst, die Neubesiedelung des Kontinents erfolgte erst wesentlich später. Heute, um es kurz zusammenzufassen, steht Afrika aus seiner Sicht, auch durch Ausbeutung, vor dem Kollaps. "Afrika wird sich nicht erholen, der Kontinent geht zugrunde. Andere Erdteile werden folgen. Wer die höchste Mauer baut, hält am längsten durch", so Schnecks Schlussfolgerung. Dass er die Problematik der weltweiten Bevölkerungsexplosion nicht ausließ, versteht sich von selbst.

Und dann fiel das Wort "Fluchtursachenbeseitigung." "Unmöglich," kommentiert es der Mann, der etwa in seiner Tätigkeit als Arzt für die Hilfsorganisation Interplast und als Privatmann viel auf der Welt herumgekommen ist. "Europa wird irgendwann von Afrikanern besiedelt." Und zwar schlicht, weil es um Nahrung geht. "Sie werden immer größere Risiken unternehmen, um ans Essen zu kommen." Drei Möglichkeiten sieht Schneck: Erschlagen, adaptieren oder gehen. Er führt weit aus in seinem über zwei Stunden dauernden Vortrag, beleuchtet Ausbeutung, Kolonialisierung, Machtprinzipien, gesellschaftliche Entwicklungen ebenso wie bereits ruinierte Böden und Überlebensstrategien von Staaten und Unternehmen, noch schnell die letzten bebaubaren Flächen zu erwerben.

Ein wenig ratlos blieb das Publikum zurück. Und eben das war erklärte Absicht. Hoffnung nämlich gäbe es nicht: "Es gibt keine Lösung." Schade nur, dass Schneck sich mit Plaudern, Abschweifen und Geschichten erzählen nicht zurückhalten konnte, denn eine anschließende Diskussion - die wegen der Länge des Referates ausfiel - wäre sicher spannend gewesen.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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