Woche der Büchereien:Der Himmelsemmelknödel

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Die Hauptperson in Felix Strobels Marionettenstück ist ein gemeiner Lump, der den Biergartenbesuchern die Knödel klaut. (Foto: Christian Endt)

Felix Stobel bändigt in Oberpframmern sechs Puppen und eine Horde Kinder

Von Heloise Olufs, Oberpframmern

Wer am Donnerstagnachmittag die Gemeindebücherei Oberpframmern besucht hat, der kann das Wort "Knödel" und jedwede Abwandlung davon wohl nicht mehr hören - und traut sich wahrscheinlich auch nicht, es zu benutzen, aus Angst sich zu verhaspeln. Denn Felix Strobel und seine Marionetten zeigten dort das Theaterstück "Die Knödel-Lumpenjagd" und brachten damit etwa 20 Kinder im Alter von drei bis acht Jahren ordentlich zum Lachen.

Das Stück handelt von einem Haderlump, der die Biergärten des Landes unsicher macht, indem er Knödel stiehlt. Sein Ziel ist es, sie zu einem riesigen Lumpenknödel zusammenzuballen, der so groß wie der "Knödel am Nachthimmel" werden soll. Als er sich allerdings an die Knödel des Biergartenbesitzers Korbinian Krautwickerl traut, stößt er auf Widerstand, und eine wilde Jagd beginnt. Dabei muss sich der Dieb vor allem vor dem Hund "Knödl", dem Nachtgespenst Simmerl und dem Mann im Mond in Acht nehmen. .

. Die Freude der Kleinen, ein solches Puppentheater besuchen zu dürfen, ist gleich von Anfang an zu spüren: Auf Holzbänken sitzen sie und klatschen vor Vergnügen in die Hände, obwohl sich der rote, altmodische Vorhang noch nicht einmal geöffnet hat. "Wann fängt es endlich an?", ist die wohl am meisten gestellte Frage, den Müttern bleibt nur, zu Geduld zu ermahnen. Zum Glück läutet schon bald darauf eine helle Klingel, es hebt sich der Vorhang für den ersten Akt. Zu sehen ist eine selbstgebastelte, sehr detailreiche Bühne, die durch mehrere filigran bemalte Pappwände dreidimensional wirkt und Strobels Figuren Beweglichkeit in den verschiedenen Ebenen ermöglicht. Dadurch können die hölzernen Protagonisten von allen Seiten her auftreten und aus der Sicht der Kinder auch verschwinden, während ihre Stimmen noch zu hören sind und dann langsam verhallen.

Das Stück nimmt seinen Lauf mit viel Gesang, Wortspielen und bayerischem Witz. Dass die Kinder diesen schon verstehen, ist zu bezweifeln, doch die Mütter amüsieren sich sichtlich, sodass letztendlich ein jeder die Bücherei zufrieden verlässt. Strobel vermag es, seine Stimme auf unglaubliche Weise zu verstellen und so jeden der sechs Charaktere anders klingen zu lassen - samt eigenem Dialekt und anderen Eigenheiten. Der Nachtwächter Funzel zum Beispiel grüßt jeden Vorbeikommenden mit "Fagott", spricht von "verdreckseln", statt "verwechseln" und bittet um "Likör", statt "Gehör". Auch hat jede Marionette eine eigene Musik: der Lump eine donnernde Orgel, der Mann im Mond - kurz zu Gast - eine harmonische Melodie, die zu trällern beginnt, als er die Himmelsleiter hinab- und emporsteigt.

Strobel, der wortwörtlich hinter dem ganzen Spektakel steckt, verhaspelt sich nie - weder bei den vielen Knödelzungenbrechern, den Reimen, den Liedern oder der Musik, und auch die vielen Fäden der Marionetten hat er stets im Griff. Souverän steuert er die kleinen Holzfiguren, ein Meister des Multitaskings, denn immerhin gestikulieren die Charaktere wild, während sie umherlaufen und sprechen - das alles auf vielleicht einem Quadratmeter Bühne. Faszinierend ist auch der Kontrast von Alt und Neu, der als Antithese über dem ganzen Theater steht: Klassisch sind das Konzept der Marionette an sich, deren Machart und das Bühnenbild, neu und erfrischend Sprache und Handlung.

Letztere hat Strobel selbst erdacht und in Worte gefasst - und sie ist tiefgründiger als erwartet. Denn der Lump, eigentlich der Schurke der Geschichte, hat einen guten Grund, all die Knödel zu klauen und zu einem Mond zusammenzuschweißen: In seiner kleinen, schmutzigen Behausung nämlich ist es sehr dunkel und er hofft, dort ein bisschen Atmosphäre schaffen zu können. Dass der Mond nur wegen der Sonne leuchtet, ein Knödel-Mond am Boden also nichts bringt, erklären ihm dann der Hund und das Gespenst, ein kleiner wissenschaftlicher Fun-Fact. Auch die Tatsachen, dass Hunde nicht sprechen können und es keine Gespenster gibt, kommen zur Sprache. Die Fantasie der Kinder stört das allerdings wenig. Das Stück macht damit lediglich einen kleinen Schritt in Richtung Realität, was gerade den etwas Älteren durchaus gefällt.

Zu Ende geht das Theater mit den berühmten "Und-wenn-sie-nicht"-Worten, die auch bei dem modernen Stück nicht fehlen dürfen. Nur zustimmen kann man dem Gespenst, das zum Hund sagt: "Deinen Namen musst du nun aber ändern, denn das Wort Knödel will wirklich niemand mehr hören."

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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