Wasserburg:Lächerlichkeit in guten Worten

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Udo Samel eröffnet die Wasserburger Theatertage mit Geschichten des Unterhaltungskünstlers Heinz Erhardt

Von Johanna Feckl, Wasserburg

Das ist Treue: Bereits zum dreizehnten Mal und damit von Beginn an ist Schauspieler Udo Samel derjenige, der den Eröffnungsabend der jährlich stattfindenden Wasserburger Theatertage schmeißt. Diesmal begeisterte er das Publikum im vollbesetzten Theatersaal mit einer Lesung, die mehr einem Schauspiel glich und gleichzeitig eine Hommage an einen der ganz Großen des vergangenen Jahrhunderts war: den Wortspielakrobaten, Kabarettisten, Schauspieler oder, allgemein gesprochen, den Unterhaltungsvirtuosen Heinz Erhardt.

Unter dem Titel "Sah ein Knab ein Rösslein stehn" las Samel Werke von Heinz Erhardt, fast alle aus dem Sammelband "Das große Heinz Erhardt Buch". Zwar war Erhardt an diesem Abend freilich nicht leibhaftig anwesend; er starb vor 38 Jahren, wenige Monate nach seinem 70. Geburtstag. Trotzdem war er da, nur irgendwie anders eben.

Da war zum einen die äußerliche Erscheinung von Udo Samel, die tatsächlich sehr an die des Großmeisters Erhardt erinnerte. Samel, mit einer eher rundlichen Statur ausgestattet, trug eine dunkelrote Hornbrille, einen dunkelgrauen Anzug über einem weißen Hemd und eine altmodisch gemusterte Krawatte. Ein paar dünne Haarsträhnen hatte er seitlich nach oben gekämmt - wie es Männer ab einem gewissen Alter gerne tun, um die lichten Stellen auf dem Kopf zu verdecken. Alles wie bei Erhardt; ebenso Hornbrillenträger, vergleichbarer Körperbau, ähnlicher Kleidungsstil und dieselbe Frisur. Allein der Rahmen der Brille war bei Erhardt noch breiter und auffallender als bei Samel.

Neben der äußerlichen Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern war Erhardt aber auch durch eine große Schwarz-Weiß-Fotografie präsent. Auf dem ausladenden alten Holztisch, hinter dem Samel auf der Bühne auf einem opulenten dunklen Stuhl Platz nahm, prangte das eingerahmte Porträt Erhardts in Richtung des Publikums. Sein süffisantes Grinsen auf dem Bild schien geradezu herauszufordernd zu fragen: Na, erinnert ihr euch noch?

Und ob die Zuhörer das taten! Als Samel den Titel eines der vielen Gedichte vorlas, "Die Made", ging ein wissendes Raunen durch den Raum. "Denn schon kam ein bunter Specht und verschlang die kleine fade Made ohne Gnade." Samel blickte erwartungsvoll von seinem Buch auf und in den Theatersaal, ehe er seine Stimme senkte und zusammen mit dem gesamten Publikum das letzte Wort dieser Verse sprach: "Schade."

Doch "Die Made" war nicht das einzige Gedicht, bei dem die Besucherinnen und Besucher den Text mitsprachen. Als Samel 21 Geschichten über den tollpatschigen und dümmlich daherkommenden Ritter Fips von Fipsenstein vorlas, lachten die meisten schon vor den eigentlichen Pointen lauthals auf. Und manchen genügte selbst dies noch nicht, sodass sie sich mit der Faust auf ihre Oberschenkel schlugen oder ihre Oberkörper nach vorne krümmten, während ihr Lachen mehr und mehr zu einem Röcheln und Luftschnappen wurde. Das verwundert auch nicht, bei grandiosen Endreimen wie "Fips - Grips - Quiz - is'" oder bei einer der "Schlussfolgerungen", mit der ein jedes Fips-Gedicht endet: "Man muss sich notfalls jemand mieten, hat man an Geist selbst nichts zu bieten."

"Das ist so gut", flüsterte eine Frau immer wieder während der beinah zweistündigen Lesung. Dabei schüttelte sie jedes Mal ihren Kopf. Klar mag es zunächst nicht schwer erscheinen, das Publikum zu begeistern, wenn man solch klamaukige und allseits bekannte Texte zur Grundlage einer Lesung macht. Was soll da noch schief gehen? Doch dieser Eindruck trügt.

Nicht nur beherrschten viele aus dem Publikum die Gedichte aus dem Effeff, auch Erhardts steife Gestik, seine immer ernste Mimik und sein abgehackter Sprachfluss mit verhältnismäßig kurzen Sätzen hat sich in dieser speziellen Zusammensetzung einfach in den Köpfen festgesetzt. Da kann also durchaus vieles schief gehen, wenn sich auf einmal jemand anderes in dieses Bild setzt.

Aber Udo Samel las nicht nur mit einer weichen, eingängigen Stimme, die das Zuhören sehr leicht machte, sondern er beherrschte auch den Duktus einwandfrei, in dem Erhardt seine Auftritte zu inszenieren pflegte. Kein einziges Mal fiel der Schauspieler aus seiner Rolle. Beinahe wirkte es, als ob der echte Heinz Erhardt das beste aus seinem großen Repertoire an Geschichten vortrug.

Der 63-jährige Samel hatte auch genügend Zeit, seine Darbietung zu perfektionieren. "Ich kenne Heinz Erhardt seit meiner Kindheit", erzählt er nach der Lesung. Das blau eingebundene Exemplar seiner Ausgabe von "Das große Heinz Erhardt Buch" besitze er schon seit mehr als 40 Jahren. "Er besprach seine eigene Blödheit und schaffte es immer, die Lächerlichkeit des Menschseins in gute Worte zu fassen." Das ist es, was Samel seit jeher an Erhardt fasziniert. Und zwar so sehr, dass er sich vorstellen kann, die als einmalig gedachte Lesung vor weiterem Publikum zu wiederholen.

Die Wasserburger Theatertage dauern noch bis zum 11. Mai. Zu Gast sind unter anderem das "Sensemble Augsburg", das "Metropoltheater München", die "Theaterwerkstatt Augsburg", die Nürnberger "Zwangsvorstellung" und das "Theater für die Jugend" aus Burghausen. Karten gibt es online über www.theaterwasserburg.de oder im Vorverkauf bei der Buchhandlung Fabula und bei Versandprofi Gartner in Wasserburg, beim Kulturpunkt Isen-Taufkirchen und im Kroiss Ticket-Zentrum Rosenheim. Die Abendkasse öffnet stets eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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