Wahlkampf:Grünes Saatgut

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Die Landtagskandidatin Waltraud Gruber sucht das Gespräch an der Tür, um sich bekannter zu machen.

Von Sophie Rohrmeier

Auch Andreas Winfried erhielt Besuch von den Grünen-Politikerinnen Waltraud Gruber und Margarete Bause (rechts). Zum Schluss gibt es ein Päckchen Rucola-Samen. Foto: Christian Endt (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Er redet ohne Unterlass, in schnellen Sprüngen, von seinem Heimatland Polen, von Hitler und Deutschland, von seiner Enttäuschung in diesem Land, von der Armut der Menschen, die Mieten zahlen, dem Reichtum derer, die besitzen. Davon, dass vor den Wahlen so viel geredet werde. Und danach nichts passiere. Margarete Bause will einhaken, versucht es mit "Aber man kann etwas ändern", Waltraud Gruber sagt irgendwann: "Hier sind noch Rucola-Samen für Sie." Das Wahlwerbegeschenk nimmt der Mann noch, dann ist das Gespräch zu Ende. "Das ist ein schwierigeres Gebiet hier", sagt Gruber, nachdem sie ein paar Schritte weiter an zwei Haustüren abgewiesen wurde. Die Ebersberger Landtagskandidatin der Grünen ist heute mit der bayerischen Spitzenkandidatin Bause in Poing unterwegs. Haustürwahlkampf.

Die beiden Frauen klingeln an jeder Tür in diesem Komplex aus zwei Mehrparteienhäusern an der Poinger Hohenzollernstraße. Es ist ein Gebiet, von dem sich die Grünen viele Stimmen erhoffen. In der vergangenen Bundestagswahl gab es hier viele Grünen-Wähler, aber auch Nicht-Wähler, Unentschiedene, Wechselwähler. Die wollen Gruber und Bause durch persönlichen Kontakt zur Stimmabgabe mobilisieren. In dem Wohnkomplex stehen Wäschestander vor den Türen, Socken trocken ordentlich aufgereiht in der warmen Luft. Kränze oder Perlenherzen hängen an den Türen, Blumenstöcke zieren die Wohnungseingänge. Hier leben viele Familien mit Migrationshintergrund. Der Akzent verrät es, wenn es heißt: "Mein Mann ist nicht da" oder "Keine Zeit". Eine Rentnerin sagt: "Das mit der Rente, eine Katastrophe." An der nächsten Tür öffnet ein freundlicher Mann Ende Dreißig. "Wir sind von den Grünen und möchten uns Ihnen gerne vorstellen. Wir wollen Sie an die Wahl erinnern", sagt Margarete Bause, das ist ihre Begrüßungsformel. Der Mann lächelt, nickt. Dann wählt er seine Worte sorgfältig: "Ja, aber ich weiß nicht. . . Ausländische Mitbürger dürfen nicht wählen." Fast entschuldigend blickt er Bause und Gruber an. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft nicht. "Ich verstehe", sagt Bause. "Wir hätten gerne, dass sie wählen dürfen, dafür setzen wir uns ein", fügt Waltraud Gruber hinzu und gibt ihm einen Flyer. Der Mann lächelt, aber für die beiden Grünen-Politikerinnen gibt es hier nichts mehr zu sagen.

"Interessant", hatte Margarete Bause kurz zuvor bemerkt, als sie sich umsah. "Dass da so ein Haus steht, mitten unter diesen schmucken Villen." Vielleicht Absicht, erwidert Waltraud Gruber, um die Menschen zu integrieren. In Aßling sei das auch so gewesen. Aßling, das ist ihre Heimatgemeinde. Mit der kommunalen Politik kennt sich Gruber aus, und das betont sie auch in den Gesprächen mit den Bürgern, an deren "schmucken Villen" sie heute klingelt. Nicht alle Menschen öffnen, viele arbeiten noch um diese Zeit oder sind im Urlaub. Dann hinterlässt Gruber einen Flyer und ein Schild an die Türklinke: "Nicht da? Schade. Wir hätten dich gern kennengelernt." Die beiden Kandidatinnen setzen auf unmittelbaren Kontakt, das quasi-private Gespräch am Gartentor.

Eine ältere Frau schiebt ihren Sohn ins Haus, der breit in der Tür steht, und kommt an ihr grünes, metallenes Tor. "Ja, so was Prominentes!", ruft sie und schüttelt Frau Bause die Hand. "Da haben Sie sich jetzt nach Poing verirrt?" Nein, nein, antwortet die. Schließlich ist sie hier, um Waltraud Gruber zu unterstützen, die soll in den Landtag. Dort brauche man sie - eine Frau, die schon viel durchgesetzt habe, mit langem Atem. "Ich bin seit 30 Jahren Kommunalpolitikerin", erklärt Gruber dann selbst. Ob die Frau denn ein Anliegen habe? Als Rentnerin gehe es ihr wirklich gut, die Nähe zu München sei toll. "Ja, und ich will jetzt ins Maximilianeum, dann kann ich noch öfter nach München", sagt da Gruber, und Bause erzählt, dass sie wie die Rentnerin aus Niederbayern stammt.

Es geht ums Persönliche, um den direkten Austausch. Bause ist an allen Türen bekannt, Gruber weniger, ihr Name ist vielen an diesem Nachmittag kein Begriff. Die Hoffnung der Politikerin: Die Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht soll das ändern. "Und wenn die Leute dann den Nachbarn erzählen, dass ich da war, dann sind wir im Gespräch." Die Menschen sollen die Kunde von der Kandidatin streuen. Manchmal sind es nur wenige Stimmen mehr, die einen Sitz im Landtag bedeuten, jede einzelne zählt. "Sie haben es in der Hand", sagen Gruber und Bause denn auch vielen Poingern. Die Themenkeule packen die beiden Frauen aber nicht aus. Für diese Form des Wahlkampfs scheint das richtig zu sein. "Ich mag sie gern", sagt eine ältere Dame in rosa-goldenem Oberteil zu Bause."Wir wollen die absolute Mehrheit der CSU verhindern, das Schlamassel", erklärt die Wählerin . Die Energiewende interessiere sie, aber die Technik sei ihr zu schwierig. "Das ist vielleicht meine Stärke: dass ich Dinge auch einfach sagen kann", entgegnet Gruber und reicht ihr ein Päckchen Rucola-Samen. Die Dame freut sich: "Rucola sät sich ja praktisch von selbst aus."

© SZ vom 06.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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