Vorschau:Seelenart und Verwandtes

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Das Kleine Theater Haar setzt wieder Akzente mit psychisch erkrankten oder behinderten Künstlern

Von Udo Watter, Haar

Inwieweit das Ich Herr im eigenen Hause ist, darüber kann man in Anlehnung an Sigmund Freuds berühmten Satz diskutieren. Die psychologische Kränkung angesichts der Erkenntnis, dass sich ein Teil des Seelenlebens der Herrschaft des bewussten Willens entzieht, betrifft demnach alle Menschen. Für Marion Hölczl hat sich das in gewissen Phasen ihres Lebens deutlich fataler angefühlt: "Eine Depression ist wie eine feindliche Übernahme", sagt sie. 104 Tage hat sie im Klinikum Haar verbracht - und dabei die Fotografie entdeckt. Eine Depression sei nämlich, wie im eigenen Gefängnis zu sitzen und den Blick nur nach innen zu richten, erklärt sie. Die Fähigkeit, nach oben zu sehen und im Himmel Weite und Wolkenspiele wahrzunehmen, und diese dann fotografisch einzufangen, war ein Schritt wieder hin zu freieren, positiveren Zeiten.

Marion Hölczl spricht bei der Kick-off-Veranstaltung zur neuen Spielzeit 2017/18 im Kleinen Theater Haar, sie spricht offen über dieses Thema, das teils immer noch tabuisiert ist. Die Fotos, die sie gemacht hat, sind jetzt im ersten Stock des Gebäudes zu sehen. Theaterchef Matthias Riedel hat nicht gezögert, diese Werkschau zu ermöglichen.

Und das ist eben das Besondere am Kleinen Theater und mit der Grund, warum Bezirkstagspräsident Josef Mederer in seinem von einer "einmaligen Institution" schreibt, die "dem Münchner Kulturleben erhalten bleiben soll". Das vom Bezirk Oberbayern und der Gemeinde Haar unterstützte Theater widmet sich dezidiert der sozialen oder Inklusions-Kultur. So ist es auch Spielstätte für Vorstellungen von Ensembles mit behinderten Schauspielern oder von Ausstellungen mit Werken psychiatrieerfahrener Künstler. Mit der Abo-Reihe "Seelenart" werden zudem seit Jahren Projekte für seelisch erkrankte Menschen realisiert. "Kultur fängt im Herzen eines jeden einzelnen an", eröffnete Riedel seine Rede. Und wem da als Freund des Theaters gleich warm ums Herz wurde, der dürfte auch anderweitig zufrieden gewesen sein. Denn Riedel hatte nur Gutes zu berichten.

Besonders freute er sich über die deutlich verbesserte Auslastung des Theaters, das in den vergangenen Jahrzehnten trotz interessanter Angebote und attraktiven Ambientes immer wieder ein Sorgenkind war. Die Auslastung habe sich von 38 Prozent im Jahr 2015 über 57 Prozent bis jetzt auf gut 75 Prozent erhöht. "Das ist ein guter Weg, aber wir geben uns damit nicht zufrieden", erklärte Riedel. Die Zusammenarbeit mit Gemeinde und Bezirk bezeichnete er als "optimal".

Die Auswahl an kulturellen Veranstaltungen, die in der kommenden Saison zu sehen sein wird, ist sowohl qualitativ wie quantitativ ebenfalls alles andere als suboptimal. Es gibt gleich vier verschiedene Abos. Neben dem Seelenart-Abo, das traditionell als Schwerpunkt Kabarett hat - und das den Auftritt von Schwergewichten wie Gerhard Polt, Sigi Zimmerschied oder Django Asül beinhaltet - gibt es das Theater-Abo: Hier kann der Kulturfreund aus 15 Veranstaltungen wählen (mindestens acht). Gleich die Spielzeiteröffnung am 13. September mit Sandra Kreisler und Roger Stein alias "Wortfront" dürfte lohnenswert sein: Ihre Kunst nennen sie "Deutschen Kammerpop";sie präsentieren "Lieder zwischen Panik und Poesie". Weitere spannende Protagonisten aus dieser Sparte sind Nepo Fitz, H. G. Butzko oder Philipp Weber. Zudem kann man Konzerte wählen mit den Munich Classical Players, Vocal Recall, Georg Clementi oder die Vorstellung "Valentin im Halifex" vom Theater Apropos.

Neu ist ein Lesungsabo im Theater-Café: Die Palette reicht von Liebesbriefen über Performances bis zum "Ring des Nibelungen" von Gerd Habenicht, der die Reihe am 21. September eröffnet. Ebenfalls neu ist ein Klassik-Angebot in der ehemaligen Krankenhauskirche "Maria Sieben Schmerzen". Das Theater hat nämlich nun die kulturelle Wiederbelebung des Gebäudes - eine der letzten originalen Jugendstilkirchen - übernommen.

Verbessert hat sich auch die technische Ausstattung: Man kann bargeldlos bezahlen, es gibt neue Scheinwerfer und freies Wlan. Die Abos sind ab sofort buchbar. Weitere Infos gibt es unter www.kleinestheaterhaar.de

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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