Verkehr:Grünes Licht

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Längere Grünphasen an Fußgängerampeln wie am Marienplatz wünschen sich viele Senioren, die nicht mehr so flott unterwegs sind. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ebersberger Senioren sollen als erste im Freistaat die Option auf Extra-Zeit an Fußgängerampeln erhalten

Von Victor Sattler, Ebersberg

1,20 Meter pro Sekunde legt der Durchschnittsdeutsche bei einer Ampelüberquerung zurück. Die Ebersberger Seniorenbeiräte um den Vorsitzenden Thomas John schaffen ihre 1,20 Meter problemlos und kommen so sicher über die Straße. Trotzdem oder gerade deshalb setzen sich die sieben Ehrenamtlichen aber für jene ältere Mitbürger ein, die laut John nur noch 80 Zentimeter oder weniger pro Sekunde schaffen und dann plötzlich von einem roten Männchen in große Panik versetzt werden. "Die übernehmen sich körperlich, um es noch rechtzeitig hinüberzuschaffen", mahnt Thomas John, "manche sind danach richtig fix und fertig." Um hieran etwas zu ändern, hat John noch einen ganz anderen Weg als bloß 1,20 Meter auf sich genommen: Er hat das Anliegen der "Senioren-Ampel" mit einer längeren Grünphase in den Bayerischen Landtag getragen, wo es beim Ebersberger Abgeordneten Thomas Huber (CSU) ein geneigtes Ohr fand.

"Wir häkeln nicht", betont Seniorenbeirat Thomas John gern, "wir stricken auch nicht. Nein, wir sind sogar relativ gefährlich!" Zu spüren bekamen diese Gefährlichkeit jene, die den Antrag auf eine "Senioren-Ampel" seit zwei Jahren immer weiter verschoben hatten. Damals, als die Idee zuerst aufkam, wäre Ebersberg noch nach Hongkong und Singapur die dritte "Metropole" mit solch einer Innovation im Straßenverkehr geworden, sagt John mit einem Augenzwinkern. Heute ist das Konzept zwar schon etablierter, aber innerhalb Bayerns ist es immer noch ein Pilotprojekt mit echtem Pioniercharakter. Bevor Ebersberg dieser Rang abgelaufen werden könnte, hakte John also eifrig bei den Landtagspolitikern nach, wie es denn um sein Herzensprojekt stünde. "Ich habe wirklich jedem von ihnen die Ohren vollgejammert", sagt er und lacht, ganz ohne falsche Scheu, "irgendwann habe ich dann aber auch beim Richtigen gejammert."

Mit der Unterstützung von Thomas Huber sollen nun zwei besonders tückische Fußgängerampeln den Anfang machen und weitere könnten ihnen folgen: Die, die vom Ebersberger Marienplatz aus über die Bahnhofstraße führt, und in nächster Nachbarschaft die Ampel, die in einer scharfen Kurve die Eberhardstraße beim Alten Kino überqueren lässt. Ausgerüstet mit einer Magnetkarte oder einer Smartphone-App könnten Bürger, die mehr Zeit brauchen, den Ampel-Zyklus ein wenig entschleunigen: 50 Prozent länger, also ein paar zusätzliche Sekunden stünden ihnen dann zur Überquerung zur Verfügung.

"So eine Magnetkarte bekommt man aber nicht einfach zum 60. Geburtstag geschenkt", erklärt John, "nur die, die es wirklich nötig haben, könnten sich im Bürgerbüro darum bewerben und dürften sie auch nur selbst benutzen, nicht aus der Hand geben." Über die Gehfähigkeit des jeweilig Vorsprechenden müsste dann wohl nach Augenschein entschieden werden. Auch junge, aber körperlich eingeschränkte Menschen kämen somit als Empfänger des Sonder-Schlüssels theoretisch infrage.

Mehr als 3000 Ebersberger sind älter als 60 Jahre, deshalb muss der Nutzerkreis auf die Bedürftigen beschränkt und irgendwie reglementiert werden. Der Straßenverkehr ist ein empfindliches System, das auch durch die Manipulation an nur zwei einzelnen Rädchen respektive Ampeln ins Ungleichgewicht geraten kann. "Wenn zum Beispiel in München diese Senioren-Ampeln Realität würden und alle Münchner Senioren sich dann plötzlich zu einem Flashmob zusammentäten - ja, dann könnten sie ohne Probleme den Stachus lahmlegen!", spielt John in Gedanken mit der dunklen Seite der Magnetkarten-Macht. Um so eine Diktatur der Pensionäre in Ebersberg zu verhindern, wolle sich das bayerische Innenministerium den Innenstadtverkehrsfluss bei einer Ortsbesichtigung im Januar erst mal ganz genau anschauen, den Nutzen abwägen, auch die nötigen rechtlichen Fragen prüfen - und danach entscheiden. Da es sich um Staatsstraßen handelt, kann die Stadt den Beschluss zur "Senioren-Ampel" nicht auf eigene Faust fassen.

Trotz dieser letzten Hürde ist John aber äußerst zuversichtlich. Die Behinderung des Pkw-Verkehrs sei unmerklich, die Kosten für die Installation beliefen sich auf einen besonderen Pro-Bono-Sparpreis, weil die zuständige Firma auch selbst ein Interesse daran hat, dass das Pilotprojekt vom Boden der Theorie in den Alltag abhebt. Wenn alles glattgeht, haben sich für den erst 2014 gegründeten Seniorenbeirat zwei Jahre an Beharrlichkeit ausgezahlt. "Wir sind kein Kaffeetrinker-Verein, wir wollen wirklich etwas verändern, etwas bewegen und Hilfestellung leisten", verspricht John. Als Nächstes stünden dann mehr Zebrastreifen und die ersten "Senioren-Parkplätze" auf der Agenda des Beirats, um den Asphalt in der Kreisstadt alsbald für alle Ebersberger lebenswerter zu machen.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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