Vaterstettener CSU:Mit sich selbst beschäftigt

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Vor einer Woche noch als Apanachi auf dem Nockherberg, am Mittwoch beim Talk im Wirtshaus im Purfinger Haberer: Uschi Glas (dritte von links). (Foto: Christian Endt)

Beim "Talk im Wirtshaus" in Vaterstetten diskutiert eine bunte Runde mit 160 Gästen über Narzissmus und Nächstenliebe

Von gYvonne Münzber, Vaterstetten

"Sind wir jetzt eigentlich Narzissten, wo wir doch hier oben im Rampenlicht sitzen?" Das fragte Moderatorin Michaela Merzendorfer von der Frauen-Union in die Runde. Es war eine passende Überleitung zu der Zunft der Schauspieler, denen gerne Selbstverliebtheit nachgesagt wird. "Dadurch, dass der Schauspieler in eine Rolle schlüpft, unterwirft er sich ja immer wieder", erzählte eine, die es wissen muss: Uschi Glas, die vor ein paar Tagen noch im Indianergewand am Nockherberg beim Starkbieranstich zu sehen war.

Die Vaterstettener CSU hat am Mittwochabend im Wirtshaus Purfinger Haberer zum "Talk im Wirtshaus" geladen. Das Thema des Abends: Die Rolle des "Ich", narzisstische und altruistische Verhaltensweisen. Die Wirtshausstube in Purfing war gesteckt voll, die knapp 160 Besucher drängten sich bis auf die Gänge hinaus. Das Thema beschäftigt die Menschen, das wurde da schon ziemlich deutlich.

Sich selber zurückstellen, so Glas, finge damit an, jeden am Set mit Respekt zu behandeln und allen auf Augenhöhe zu begegnen. Außerdem, und das gelte nicht nur für Schauspieler, müsse man als Person lernen, sich zu akzeptieren. "Ein gesundes Selbstwertgefühl ist natürlich und ein Muss", erklärte Neurologe Martin Marziniak. Dazu ergänzte Rainer Maria Schießler, katholischer Stadtpfarrer in München: Für Nächstenliebe brauche es erst einmal Selbstliebe. Soll heißen, und damit brachte der Pfarrer das Publikum (wie so oft an diesem Abend) zum Lachen: "Wenn i mi ned mog, dann geht's ma sauschlecht."

Kann es der Narzisst denn mit anderen aushalten? Auch diese Frage kam auf. "Bei einer krankhaften Ausprägung", erklärte Marziniak, der Mann vom Fach, "wird eine Person scheitern." Deswegen würden es stark narzisstisch veranlagte Personen nicht lange in Führungspositionen aushalten. Es gäbe also auch "Hoffnung" beim amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, denn: "Wer langfristig führen will, darf kein Narzisst sein", sagte Klaus Wenzel, Ehrenpräsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Schießler ergänzte: "Irgendwann stürzt man einfach ab." Dann, wenn der Rückhalt aus dem eigenen Umfeld abhanden kommt.

Beginnt Narzissmus bereits in jungen Jahren? Das große Problem, erläuterte Wenzel, sei bei Kindern eher der Egoismus. Der Wettbewerb zwischen den Jüngsten beginnt ja schon in der Grundschule. Dabei sollten sie sich ungestört entwickeln können. "Die Erwartungen sind heutzutage einfach übertrieben und nicht erfüllbar", so Marziniak. "Wir brauchen eine andere Feedbackkultur, die sich nicht auf sechs Ziffern begrenzt", forderte Wenzel unter Zustimmung des Publikums. "Ich würde mir außerdem wünschen, dass es mehr Kinder gibt, die sagen: Ich bin okay!" Deswegen müsse es immer wieder positive, konstruktive Rückmeldung geben.

Auch das Ehrenamt wurde immer wieder diskutiert. Ein junger Mann aus dem Publikum brachte die These auf, dass sich gerade unter Ehrenämtlern die größten Narzissten finden ließen. "Durch die ehrenamtliche Tätigkeit kann man sich Machtbereiche schaffen", stimmte Schießler zu. Es ging hier also um die Frage, ob Menschen ehrenamtlich tätig sind, um anderen zu helfen. Oder ob es ihnen vor allem um die Anerkennung dafür geht? Uschi Glas, die im Vorstand des gemeinnützigen Vereins "brotZeit" sitzt, widersprach dem Pfarrer vehement und verteidigte das Ehrenamt. "Bei Wind und Wetter stehen die in der Früh da und bereiten das Essen für die Kinder vor", sagte sie. Sehr altruistisch also. Besonders Senioren, so Glas' Erfahrung, gebe das Ehrenamt Inhalt im Leben, das Gefühl, gebraucht zu werden, wahrgenommen zu werden. Genau dies, so fasste Schießler treffend zusammen, sei eben das Wichtige: "Es geht bei Narzissmus und Altruismus darum, dass der andere nicht zum Instrument wird, kein Mittel zum Zweck ist."

Am Ende wurde eine Redewendung des Egoismus zitiert, die zeigt wie kompliziert das alles ist: "Jeder denkt an sich selbst - dann ist an alle gedacht". Wirklich? Zur Abrundung gab es jedenfalls Bastkörbe für die Gäste - passenderweise mit Narzissen drin.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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