Vaterstetten:Zurück ins Jahr 1902

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Dass das Dach mit roten Ziegeln eingedeckt wurde, ist eine Vorgabe der Denkmalschutzbehörde. (Foto: Christian Endt)

Die Sanierung der Parsdorfer Brennerei geht Nachbarn zu weit - doch vieles geschieht auf Anweisung der Denkmalschützer

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Dass die Vergangenheit nicht nur nicht tot, sondern nicht einmal vergangen sei, meinte einst William Faulkner. Nur hat der vor mehr als 55 Jahren verstorbene Schriftsteller den aktuellen Immobilienboom in München und dem Umland nicht gekannt - denn hier wird die Vergangenheit teilweise gnadenlos abgeräumt. Erst Anfang des Monats wurde in Giesing ein denkmalgeschütztes Handwerkerhaus ebenso schnell wie illegal abgerissen. In den Augen einiger Parsdorfer geschieht ähnlicher Denkmalfrevel auch direkt vor ihrer Haustür - sie beschweren sich, dass beim Umbau der alten Brennerei zu wenig Rücksicht genommen werde auf die historische und denkmalgeschützte Bausubstanz.

Die Brennerei steht nicht komplett unter Denkmalschutz, lediglich das äußere Erscheinungsbild muss erhalten werden, der Rest darf aber umgebaut werden. Aus einer Produktionsstätte für Industriealkohol soll ein Wohnhaus werden. Geplant - und auch sowohl vom gemeindlichen Bauamt wie vom Landesamt für Denkmalpflege genehmigt - ist der Einbau von sechs Wohnungen. Auf dem großen Grundstück rund um die alte Brennerei, das früher unter anderem zur Lagerung von Kartoffeln genutzt wurde, entstehen außerdem drei Mehrfamilien- und drei Doppelhäuser. Die Arbeiten sind in vollem Gang, einigen Nachbarn gehen sie allerdings zu weit.

Sie beklagen, dass sich das Erscheinungsbild des Gebäudes durch den Umbau stark verändert habe. Dies könne doch nicht im Sinne des Denkmalschutzes sein, sagt eine Nachbarin. Sie kritisiert besonders die optischen Veränderungen an Dach und Fassade. So wurde an der Südseite ein Giebel angebaut, und die alten graubraunen Dachziegel wurden durch rote ersetzt. Zudem seien die Fenster vergrößert und Balkone angebaut worden. Der charakteristische Schornstein habe unter dem Umbau ebenfalls gelitten, bedauern die Nachbarn, der Kamin sei ein gutes Stück kürzer geworden. Auch im Rathaus habe man sich schon beschwert, dort aber die Auskunft erhalten, dass die Gemeinde nicht zuständig sei.

Eine solche Beschwerde sei im Bauamt nicht bekannt, sagt dagegen dessen Leiterin Brigitte Littke. Was allerdings die angeblichen Verstöße gegen den Denkmalschutz betrifft, solche lägen nicht vor. So seien etwa die neuen Balkone mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgesprochen und auch genehmigt worden. Grund für den Einbau sind Vorgaben des Brandschutzes erläutert Littke. Damit die Brennerei ein Wohnhaus werden kann, müsse ein zusätzlicher Flucht- und Rettungsweg für die oberen Etagen geschaffen werden, dies geschehe über die Balkone. Die Kürzung des Schornsteins sei wohl aus Gründen der Statik erfolgt, allerdings werde der größte Teil des Kamins auf jeden Fall erhalten.

Was den neuen Giebel und die geänderte Farbe des Daches betrifft, diese seien sogar von den Denkmalschützern gefordert worden. Wie Littke erklärt, hatte sich das Landesamt an den Original-Bauplänen aus dem Jahr 1902 orientiert, wo auch ein sogenannter Zwerchgiebel auf der Südseite des Gebäudes eingezeichnet ist. Daher gilt der neue Giebel eben nicht als Veränderung am denkmalgeschützten Erscheinungsbild, sondern als Wiederherstellung desselben. Genauso verhalte es sich mit den neuen Dachziegeln, sagt Littke. Für diese gebe es eine Auflage des Landesamtes für Denkmalschutz, in der ausdrücklich gefordert wird, dass das Dach im "ortsüblichen Natur-Rot" einzudecken sei - eben genau so, wie es in den Bauplänen von 1902 vermerkt ist.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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