Vaterstetten:Wachstumsschub für Vaterstetten

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Der Bebauungsplan für die Wohngebiete West und Nordwest steht. In das Areal könnten einmal bis zu 1500 Neubürger ziehen, die Nachbargemeinden warnen vor einem Verkehrschaos.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Auf dem Neubürgerempfang in Vaterstetten könnte es bald ziemlich eng werden. Der Bauausschuss verabschiedete am Dienstagabend den Bebauungsplan für das Wohngebiet West und Nordwest, bis zu 1500 Leute sollen dort einmal einziehen, bereits 2017 könnten die ersten Häuser fertig sein. Unumstritten ist das Vorhaben indes nicht, sowohl Gemeindebürger, Behörden und Nachbarkommunen hatten teilweise sehr negative Stellungnahmen eingereicht, und auch im Gremium gab es viel Kritik. Durchsetzen konnten sich die Kritiker freilich nicht.

Die nun im Ausschuss behandelten Stellungnahmen und Abwägungen waren umfangreich. Mehr als 70 Seiten umfasste die Vorlage - die nur in digitaler Form verschickt aber nicht ausgedruckt wurde. Aus Kostengründen, wie es von der Verwaltung hieß, was ganz gut zu dem Vorhaben insgesamt passt. Denn Kosten sind es auch, die die Erschließung der Wohngebiete nötig machen, jene für die neue Grund- und Mittelschule, insgesamt knapp 40 Millionen Euro. Drei Viertel davon will man durch den Verkauf von Grundstücken im Norden Vaterstettens gegenfinanzieren.

Ein Vorhaben das vor allem bei FBU/AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt und Herbert Uhl von den Freien Wählern auf scharfe Gegenrede stieß. Das ganze Projekt sei "einfach verfehlt", so Uhl, dies beginne schon bei der Wahl des Standortes. Der sei "eigentlich nicht geeignet für Wohnbebauung", wegen der Lärmbelastung.

Die Gegner befürchten eine zunehmende Lärmbelastung

Er bezog sich dabei auf eine Stellungnahme der Immissionsschutzbehörde im Landratsamt Ebersberg, die sich einigermaßen kritisch zu den zu erwartenden Lärmpegeln entlang der Straßen äußert. Auch die Handwerkskammer München und Oberbayern hatte Einwände geäußert, dort befürchtet man Einschränkungen für bereits in der Nähe bestehenden Betriebe durch die Lärm-Grenzwerte des Wohngebietes.

Es könne doch nicht sein, so Uhl, "dass sich die Leute hinter Schallschutzfenstern verschanzen müssen", um in ihren Wohnungen etwas Ruhe zu finden: "Da kann man gleich an den Mittleren Ring ziehen - da gibt es wenigstens eine gute Verkehrsanbindung." Einen Vergleich und einen Vorwurf, den Bauamtsleiterin Brigitte Littke so nicht stehen lassen wollte.

Zum einen seien die Vaterstettener Straßen noch weit vom Verkehrsaufkommen der Landeshauptstadt entfernt - "sind Sie da jemals gefahren?" - außerdem habe man sich in puncto Schallschutz von Experten beraten lassen. Mit dem Ergebnis, dass diese die Einschätzung des Landratsamtes als außergewöhnlich streng einschätzten: "Die Vorgaben weichen ab von dem, was andere Immissionsschutzbehörden fordern." Zudem handele es sich bei den angeführten Werten ausdrücklich um eine Orientierung, nicht um feste Grenzwerte, die unbedingt einzuhalten seien.

Es betrifft auch die Nachbargemeinden Grasbrunn und Haar

Um ganz andere Grenzen macht man sich dagegen bei den Nachbargemeinden Sorgen, nämlich um die Belastungsgrenzen der umliegenden Straßen. So befürchtet man etwa in Grasbrunn, dass der Verkehr über die Möschenfelder Straße zur B 304 durch das neue Wohngebiet so stark zunimmt, dass auch die in die Kreuzung mündende Aus- und Einfahrt zum Grasbrunner Ostring betroffen wäre. Eine Verkehrszunahme auf der B 304 sieht man auch in Haar kritisch, mehr jedoch warnt man vor einem Verkehrschaos auf der Ottendichler Straße. Diese wäre die direkte Verbindung zur B 471, und diese wäre wiederum der kürzeste Weg zur Autobahn.

Kein Grund für eine Änderung des Bebauungsplanes fanden dagegen Verwaltung und Ausschussmehrheit. Denn falls es an den beiden Straßen einmal Verkehrsprobleme geben sollte, liege das an der allgemeinen Verkehrsentwicklung im Raum München. Und die Ottendichler Straße sei "aus netzgeometrischen Gründen" ohnehin keine lohnende Abkürzung.

Er habe den Eindruck, so Schmidt, die Verwaltung biege sich bei ihren Abwägungen die Fakten so zurecht, wie man sie gerade brauche, um die Stellungnahmen entkräften zu können. Was für Uhl ohnehin nicht gelungen sei, denn: "Woher kommt denn die allgemeine Verkehrsentwicklung? Doch von solchen Baugebieten wie Vaterstetten Nordwest."

Die Befürworter erhoffen sich mehr Wohnraum für junge Familien

Baugebiete, wie sie jede Gemeinde in der Umgebung plane oder bereits umgesetzt habe, ergänzte Vaterstettens Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU): Grasbrunn etwa mit "zwei riesigen Gewerbegebieten" gleich an der Gemeindegrenze und "was Haar mit seinem Baugebiet Eglfing plant, da haben die gar keinen Grund sich zu beschweren." Letztlich "schaut jede Gemeinde auf sich selbst", so Wagners Fazit, und das Wohl der eigenen Gemeinde zu befördern sei auch schließlich Aufgabe von Verwaltung und Gemeinderat.

Dass das neue Baugebiet letztlich wohltuend für Vaterstetten sein wird, bezweifelte Axel Weingärter (Grüne). Schließlich entstehe es zulasten eines "schönen Naherholungsgebietes" und bringe nicht nur Einnahmen sondern verursache auch Kosten durch dann nötige Infrastruktur. "Wir sind nicht gegen Wachstum", so Weingärtner, "aber nicht in diesem Umfang und nicht in so kurzer Zeit."

Für den Dritten Bürgermeister Günter Lenz (SPD) ist das Baugebiet dagegen ein voller Erfolg. Nicht nur, weil damit seit Jahrzehnten wieder Sozialwohnungen in der Gemeinde entstehen, sondern weil sich Vaterstetten einen Teil der Gewinne sichert, die andernorts von privaten Investoren "abgeschöpft werden". Außerdem könne sich die Gemeinde der Entwicklung in der Region nicht verschließen, meinte Renate Will (FDP), man habe auch "die Pflicht, Wohnraum für junge Familien zu schaffen."

Auch Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) lobte das Projekt, vor allem die geplante Begrünung zwischen den Häuserblocks, eine solch lockere Bebauung, "werden wir uns künftig wohl nicht mehr leisten können. Es ist ein besonderes Baugebiet geworden." Dies sah die Mehrheit im Ausschuss wohl ähnlich, mit elf gegen vier Stimmen wurde der Bebauungsplan verabschiedet.

Ob sich die Nachbarn mit dem Votum abfinden, oder dagegen weiter vorgehen - etwa vor Gericht - ist noch nicht entschieden. Er sei zwar "nicht glücklich", über den neuen Bebauungsplan in Vaterstetten, sagt Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD), wie es nun weitergehen wird, "das wird zu diskutieren sein." Ähnlich unzufrieden ist man auch in Haar. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) hofft aber noch auf eine Übereinkunft "auf Bürgermeisterebene". Was man sich in Haar auf jeden Fall wünscht, wäre, dass sich Vaterstetten an einem wohl bald nötigen Ausbau der Kreuzung Ottendichler Straße und B 471 finanziell beteiligt.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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