Vaterstetten:Viel Schmidt um nichts

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Kleine Häuser und große Gärten prägen das Ortsbild im Nordosten Baldhams. Die Mehrheit im Bauausschuss will dort mehr Verdichtung zulassen. (Foto: Christian Endt)

Nach langer und heftiger Debatte spricht sich der Vaterstettener Bauausschuss gegen die Genehmigung von zwei Einfamilienhäusern aus, dies hatte die Regierung nach einer Beschwerde der FBU gefordert

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Politische Debatten können für die Zuhörer manchmal enervierend sein - gelegentlich sogar für die Beteiligten. Im Vaterstettener Bauausschuss am Dienstagabend sahen sich einige der Mitglieder schließlich genötigt, schlichtend einzugreifen. "Ich bin enttäuscht, wie diese Debatte läuft, persönliche Angriffe haben hier nichts verloren", versuchte Wolfgang Schermann, Fraktionssprecher der Freien Wähler, die Stimmung zu beruhigen. "Der Ausschuss ist doch keine Plattform für solche Streitereien", befand auch Friederike Michael (Grüne). Dritter Bürgermeister Günter Lenz (SPD) stellte und beantwortete die Frage: "Bringt diese Debatte unsere Gemeinde weiter? Ich glaube nicht." Vorangegangen war eine einstündige, teilweise sehr emotionale Diskussion zwischen FBU/AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt einerseits und Bauamtsleiterin Brigitte Littke, Zweitem Bürgermeister Martin Wagner (CSU) und dem von der Gemeinde beauftragten Fachanwalt Gerhard Spieß andererseits. Das Thema: die Baugenehmigung für zwei Einfamilienhäuser im Hasen- und Iltisweg in Baldham.

Diese hatte die Bauverwaltung und die Mehrheit im Ausschuss in einer früheren Sitzung für unproblematisch befunden. Einer Befreiung vom Bebauungsplan, der eine eher lockere Bebauung vorsieht, wurde mit großer Mehrheit zugestimmt. Erteilt werden durften die Genehmigungen dennoch nicht, denn Schmidt, der damals dagegen gestimmt hatte, beschwerte sich daraufhin bei der Regierung von Oberbayern und bekam Recht. Die Fachaufsichtsbehörde sprach sich gegen die Erteilung der Baugenehmigungen aus. Nun stand die Rücknahme der Beschlüsse an.

Doch aus einem Akt, der eigentlich eine reine Formalie hätte sein können, entwickelte sich ein heftiger Schlagabtausch, eröffnet von der Bauamtsleiterin. Im Gegensatz zum übrigen Land, wo es drei Gewalten - Legislative, Exekutive und Judikative - gebe, habe man es in Vaterstetten noch mit einer vierten zu tun, so Littke: "Wir haben inzwischen eine Lex Schmidt". Bürger und Bauverwaltung hätten darunter zu leiden. "Dass Manfred Schmidt demokratische Entscheidungen nicht anerkennt, das schadet den Bürgern und es schadet dem Ruf der Gemeinde." Denn "Manfred Schmidt hat es geschafft, dass in Vaterstetten nicht einmal ein Einfamilienhaus ohne Risiko gebaut werden kann." In manchen Fällen reiche der FBU-Gemeinderat Beschwerde ein, in anderen, die noch rechtswidriger seien, dagegen nicht.

Littke führte das Beispiel Neufarner Berg an. Dort hatte die Eigentümerin eines alten Häuschens dieses bei der Renovierung so weit abgerissen, dass es laut Baurecht nicht mehr neu aufgebaut werden darf, da es im Außenbereich steht. Nachdem sich die Eigentümerin an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt hatte, erteilte der Bauausschuss gegen die Empfehlung des Bauamtes die Genehmigung zum Wiederaufbau. Einen Vorgang, für den Schmidt damals sehr geworben hatte. Die Genehmigung hat die Bayerische Oberste Baubehörde inzwischen kassiert, eigentlich sollte der Ausschuss auch darüber beraten, wie es am Neufarner Berg nun weiter gehen kann. Doch der Tagesordnungspunkt wurde wieder abgesetzt.

Littke sparte auch nicht an Kritik an der Regierung von Oberbayern. Deren Einschätzung, dass die Befreiungen der beiden fraglichen Bauvorhaben im Hasen- und im Iltisweg unzulässig wären, sei nicht nachvollziehbar. Unterstützung kam von Fachanwalt Spieß. Die Meinung der Regierung sei zwar "zu vertreten, aber eine sehr verkürzte Sicht". Für den Baurechtsexperte greift die negative Stellungnahme aus München "relativ weit in die Planungshoheit der Gemeinde ein". Zudem sei die Auslegung des Baurechts hier äußerst restriktiv erfolgt, in anderen Kommunen würden viel weitreichendere Befreiungen erteilt und nicht beanstandet.

In der Folge "wird die Gemeinde eine Reihe von Prozessen bekommen", erwartet Spieß, denn die Bauwerber könnten sich auf ebensolche laxen Auslegungen des Baurechts andernorts berufen, und die Genehmigung einklagen. In den vorliegenden Fällen sei das mit Sicherheit zu erwarten, ergänzte der Zweite Bürgermeister, das hätten die Bauwerber bereits angekündigt. "Ich bin sehr neugierig, wie die Gerichte hier urteilen", so Wagner.

Das Thema Neufarner Berg trotzdem anzusprechen, sei reine Polemik und "eine Unverschämtheit", entgegnete Schmidt, ließ sich dann aber selbst länger darüber aus. Die Fälle seien komplett unterschiedlich, schließlich gehe es in Baldham um Nachverdichtung; am Neufarner Berg werde lediglich der Ausgangszustand wieder hergestellt. Wenn das nicht alle verstünden, sei ihm das gleichgültig: "Mich wird niemand daran hindern, zu tun, was ich für richtig erachte." Auch nicht die "ungebührliche Belehrung und Anmaßung" seitens der Bauamtsleiterin, die "ihre falsche Rechtsauffassung einfach nicht einsehen" wolle.

Letztlich sprach sich der Ausschuss dann einstimmig dafür aus, der Empfehlung der Aufsichtsbehörde zu folgen und die beiden Baugenehmigungen nicht zu erteilen. Trotzdem ist zu erwarten, dass die zwei Häuser demnächst trotzdem gebaut werden dürfen. Denn nur wenig später beschloss der Ausschuss gegen die Stimmen Schmidts, Schermanns und der Grünen, den Bebauungsplan für das Gebiet Hasen- und Iltisweg aufzuheben. Damit entfallen die strengen Vorgaben für Bauräume und es darf dichter gebaut werden. Und ohne Bebauungsplan werde auch die Verwaltung entlastet, so Littke. "Bisher geht es ja so: Wir bekommen einen Antrag auf Befreiung, dürfen sie nicht erteilen, weil sonst eine Fachaufsichtsbeschwerde kommt und müssen auf die Klage warten."

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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