Vaterstetten:Schlechter als nichts

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Gemeinde Vaterstetten erklärt zwei Bebauungspläne für ungültig. Das sind sie eigentlich schon länger, weil in den vergangenen Jahrzehnten zu viele Ausnahmen erlaubt wurden

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Manchmal dauern nicht nur Wunder etwas länger, auch Verwaltungsangelegenheiten brauchen gelegentlich etwas Vorlauf. Als der Vaterstettener Bauausschuss nun beschloss, zwei alte Bebauungspläne aufzuheben, kam das Gremium damit einer Empfehlung aus dem Landratsamt nach - welche die Behörde bereits im Jahr 1968 ausgesprochen hatte.

Denn die 1960er waren in den Gemeinden Pöring und Parsdorf, zu der die beiden Gebiete zwischen Johann-Strauß- und Zugspitzstraße sowie rund um Iltisweg und Marderstraße damals gehörten, weniger geprägt von freier Liebe als von Befreiungen vom Bebauungsplan. Im Jahr 1951 wurde jener für das Gebiet "Keßler II", in dem die Straßen vor allem nach Waldtieren benannt sind, erlassen. Vier Jahre später folgte der Plan "Dorsch-Dosch", der den westlichen Teil des Areals umfasst, wo die Straßen die Namen bekannter Komponisten tragen.

Beiden Bebauungsplänen gemeinsam ist, dass sie dem Zweck dienten, "großzügige Gärten im hinteren Grundstücksbereich zu sichern", wie es Bauamtsleiterin Brigitte Littke nun im Ausschuss erläuterte. Und eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass dieses Ziel von Anfang an nicht besonders ernsthaft verfolgt worden ist. "Die Planungs-Konzeption ist extrem vernachlässigt worden", so die Bauamtsleiterin. Bereits wenige Jahre nach ihrem Inkrafttreten wurden in den Planungsgebieten "Befreiungen erteilt, die städtebaulich nicht vertretbar sind und die Grundzüge der ursprünglichen Planung berühren". Statt der großen Gärten hinter den Häusern entstanden dort in vielen Fällen andere Häuser. Mit der Folge, dass sich die Gemeinde bei der Erteilung von Baugenehmigungen nicht mehr auf die Bebauungspläne berufen könne. Daher solle man diesen aufheben und künftige Bauanträge danach beurteilen, ob sie sich in die Umgebung einfügen, empfahl Littke. "Die Alternative ist, dass wir künftig alles verbieten, was nicht dem Bebauungsplan entspricht und warten, bis ein Gericht den Plan kippt." Was im übrigen sehr wahrscheinlich sei, meinte Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) einige Bauwerber hätten bereits angedroht, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen, sollte die Gemeinde ihren Anträgen auf Befreiung nicht stattgeben. "Und in dem Moment, wo einer vor Gericht geht, ist der Bebauungsplan weg."

Einige im Ausschuss waren allerdings der Meinung, dass man es darauf ankommen lassen sollte. "Ich würde die Flinte nicht ins Korn werfen", sagte Manfred Schmidt (FBU/AfD), natürlich könne jeder Bauwerber mit Rechtsmitteln drohen, davon solle sich die Gemeinde "aber nicht einschüchtern lassen". Auch Roland Meier (FW) sprach sich dafür aus, das Risiko vor Gericht einzugehen: "So lange wir den Hauch einer Chance haben, sollten wir den Bebauungsplan halten." Doch gerade diese Chance habe die Gemeinde vor Gericht nicht, betonte Littke.

"Das ist eine Kapitulation vor dem Siedlungsdruck, die ich für fatal und nicht für nötig halte", sagte dagegen Herbert Uhl (FW). Er warnte davor, dass die Verdichtung in den beiden Gebieten stark zunehmen werde. Schließlich gebe es in der Nachbarschaft sehr dicht bebaute Grundstücke nach denen sich künftige Bauanträge richten würden, "und dann wird überall ein Haus dahinter gesetzt". Auch Stefan Ruoff (Grüne) sah das Risiko. Wenn man sich in Zukunft nur noch auf das Einfügungsgebot berufe, sei eine wesentlich dichtere Bebauung möglich und wahrscheinlich. Er schlug darum vor, einen Sanierungs-Bebauungsplan zu machen, also die Pläne auf einen Stand zu bringen, der die aktuellen Gegebenheiten berücksichtigt. Einen überarbeiteten Plan hätte man vielleicht in den 1960er Jahren machen können, sagte Wagner, "jetzt ist es in jeder Hinsicht zu spät." Denn in einem neuen Plan müsste das wegen der vielen Ausnahmen bestehende großzügige Baurecht zahlreicher Grundstücke eingeschränkt werden. Dies sei theoretisch möglich, da es aber einen Wertverlust für die Eigentümer darstellt, müsste die Gemeinde entsprechend entschädigen, "bei weit über 1000 Euro pro Quadratmeter können wir uns das nicht leisten."

Auch die Befürchtung, dass nun überall nachverdichtet werde, sei unbegründet, so Wagner. Gerade durch das Einfügungsgebot werde es möglich, die verbliebenen Gärten zu erhalten. "Damit fahren wir besser." "Dieser Bebauungsplan stellt keine Hemmschwelle mehr dar", befand Maria Wirnitzer (SPD). Die Gemeinde sollte sich lieber "auf Gebiete konzentrieren, wo noch etwas zu retten ist". Außerdem sei es auch nötig, die alten Pläne der Gegenwart anzupassen, sagte Stefan Huber (CSU), "wer zieht denn heute noch in ein Haus aus den 1950ern?" Gegen die fünf Stimmen von Grünen, Freien Wählern und FBU/AfD wurde die Aufhebung der Bebauungspläne beschlossen.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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