Vaterstetten:Safari im Parsdorfer Hart

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Seit 13 Jahren ist der Vaterstettener Naturfotograf Otmar Forster in Wald und Flur unterwegs. Mehr als sechzig Vogelarten hat er, verborgen in einem gut getarnten Versteck, bislang mit der Kamera eingefangen

Von Rita Baedeker, Vaterstetten

Otmar Forsters "Versteck" liegt auf einer kleinen Lichtung zwischen Fichten und Kiefern, Moos und hohem Gras; noch hängt feuchtkalter Morgendunst in den Ästen. Der Unterschlupf ist so gut getarnt, das man den unter grünem Teppichboden und Ästen verborgenen Guckkasten nicht mal dann auf Anhieb sieht, wenn man schon davor steht. Damit jedes Detail an der Konstruktion immer das gleiche Aussehen hat, auch wenn Forster nicht da ist, hat er die Öffnung für das Teleobjektiv getarnt. Von außen wirkt das Arrangement wie die Linse einer Kamera, in Wahrheit handelt es sich um eine verkehrt herum in einer schwarzen Hülle steckende Flasche. Den Unterschied zwischen Objektiv und Attrappe erkennt nicht mal das menschliche Auge.

Vögel zu fotografieren, ist Otmar Forsters Leidenschaft. Seit 13 Jahren geht er auf Safari im Parsdorfer Hart. Rund 60 Arten, darunter so seltene wie den Wiedehopf, den Baumpieper, den Bluthänfling und den Fichtenkreuzschnabel, hat er im Laufe der Jahre dort eingefangen. Eine Vogelart nicht in seinem digitalen Album zu haben, das kommt für den passionierten Sammler nicht in Frage. Er fotografiert Vögel im Flug, beim Füttern, bei der Gefiederpflege und im Kampf. Einige seiner Momentaufnahmen wird er am Montag bei einem Vortrag am Stammtisch des Gartenbauvereins Vaterstetten präsentieren.

Die Nahaufnahmen wirken so lebendig und natürlich, dass man Details des Federkleids, des Schnabels und der Krallen erkennt, die man aus der Distanz niemals wahrnehmen würde: das blauschwarze Bandmuster des Eichelhähers, den leuchtend roten Scheitel des Schwarzspechts, die braun gefleckte Brust der Misteldrossel. Nun sitzen Waldvögel aber natürlich nicht Modell. "Tierfotografie ist daher ein langer Prozess", sagt Forster. Um brillante Fotos zu machen, brauche man eine gute Ausrüstung mit starkem Teleobjektiv, Geduld, Sitzfleisch und ein Versteck. Doch das ist in Forsters Augen längst nicht alles. Er inszeniert seine Stars, ohne ihnen zu nahe zu treten. Die Vögel, die er mit der Kamera einfängt, gehören zum Ensemble einer Freilichtbühne mit mobilen Kulissen, die er öfter mal umbaut und neu gestaltet.

Um zu erreichen, dass die Tiere immer wieder kommen, gibt es, genau wie in jedem Hotel oder Wirtshaus, nur einen Weg: Man muss ihnen etwas anbieten, gutes Essen, bequeme Sitzgelegenheiten, Sicherheit. Aus diesem Grund hat Forster Baumstümpfe angeschleppt, die als Vogel-Ansitz dienen, hat ein Wasserbad und eine Tränke installiert, hat Zweige vom Pfaffenhütchen, dessen rosa Beeren Rotkehlchen so gut schmecken, in ein Gefäß mit Wasser gestellt, und ungespritzte Äpfel liebevoll in Schnitze zerteilt. Gästen setzt man Früchte ja auch nicht im Ganzen vor.

Otmar Forster, der bis zu seinem Ruhestand in der "Feuerungsbranche", wie er sagt, beschäftigt war, ist früher oft in die Berge gegangen, hat in den Alpen Mineralien gesucht. "Ich sammle eben gern", sagt er lächelnd. Auch heimische Orchideen wollte er fotografieren, wurde aber nicht fündig. "Also habe ich mich Schmetterlingen zugewandt", sagt Forster. Bei diesem Hobby habe er Peter Zeininger kennengelernt, einen Fotografen, dessen Bilder man in vielen Vogelbestimmungsbüchern finde. Mit seiner Hilfe, seinen Ratschlägen habe er sich in das Metier der Naturfotografie eingearbeitet, berichtet Forster. "Als ich damals seine faszinierenden farbenprächtigen Fotos etwa von Eisvogel oder Bienenfresser sehen durfte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass mir jemals so etwas gelingen könnte", bekennt er.

Sein erstes Versteck baute Forster am Waldrand auf. "Dann bin ich ins Innere umgezogen, dort ist mehr Ruhe." Die Genehmigung des Waldbesitzers für seine "Zweithäuschen" - zwei Tarnverstecke und ein mobiles Versteck - hat er ohne weiteres bekommen. Auch zum Jäger bestehe guter Kontakt. Nur einmal habe er durch das Klicken des Auslösers seiner Kamera versehentlich einen Rehbock verscheucht, erzählt Forster und lacht.

Die Tiere reagieren auf seine Anwesenheit offenbar gelassen. "Manchmal besucht mich ein Reh, bleibt eine Weile da und schaut mir zu", erzählt Forster. "Die kennt mich inzwischen. Ich habe sie Erika genannt und rede mit ihr." Keine Frage, dass es von Erika längst eine Porträtserie gibt. Die Vögel haben sich an ihren Wirt gewöhnt, auch jetzt zwitschert und flattert es hörbar im Geäst. Die kleinen Essensgäste sind da, halten sich aber angesichts des ungewohnten Besuchs bedeckt.

Auf äußere Veränderungen reagieren die Vögel äußerst sensibel. So hat Forster, auf einer selbst gezimmerten Leiter stehend und unter einem Tarnnetz verborgen, einmal fünf Stunden lang bewegungslos nahe der Bruthöhle einer Schwarzspechtfamilie ausgeharrt, Ergebnis war eine sensationelle Homestory. Man sieht Papa Specht, wie er seine gierige Brut mit Waldameisen füttert. Weil Jungvögel stets hungrig sind, schleppen die Altvögel immer zwei Portionen an - die eine im Schnabel, die andere im Kropf. Kurios sei in dem Fall auch gewesen, dass die Vogelfamilie sich auf zwei Stockwerken im Baum niedergelassen habe und über zwei Fluglöcher verfügte, erzählt Forster.

Im Wald, da sind die Räuber, auch die gefiederten. Ein hinreißendes Foto ist ihm zum Beispiel mit den beiden um Beute streitenden Mäusebussarden gelungen, der eine in Angriffshaltung mit gespreizten Flügeln, die Krallen voraus, der andere abwehrbereit. "Manchmal sitze ich hier viele Stunden, wochenlang und in der größten Hitze", sagt Forster, gebannt von den Szenen, die sich vor seinen Augen abspielen. "Da brauche ich weder Essen noch Trinken, so spannend ist das."

Der Vortrag des Naturfotografen Otmar Forster findet am Montag, 31. Oktober, um 19.30 Uhr in der Gaststätte Landlust des Reitsbergerhofs statt.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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