Vaterstetten:Profit für alle

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Gemeinderat beschließt sozialgerechte Bodennutzung in Vaterstetten

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Immobiliengeschäfte werfen derzeit gewaltige Profite ab, in Vaterstetten soll nun ein Teil davon der Allgemeinheit zugute kommen. Der Gemeinderat beschloss am Donnerstag die Einführung des Konzepts zur sozialgerechten Bodennutzung. Damit werden Bauwerber verpflichtet, etwa Sozialwohnungen, Kindertagesstätten oder Flächen für Kleingewerbe bereitzustellen oder zu bezahlen.

Die neuen Regeln treten noch in diesem Jahr in Kraft, sie gelten für sämtliche Bebauungspläne, deren Aufstellungsbeschluss im zuständigen Gremium nach dem 1. November gefallen ist. Allerdings mit Ausnahmen. So sind Vorhaben ausdrücklich ausgenommen, bei denen bestehende Gebiete lediglich neu überplant werden, etwa um "den Erhalt des Gartenstadtcharakters" zu gewährleisten. Hier, so die Einschätzung der Verwaltung, sei "lediglich eine moderate Nachverdichtung" zu erwarten und in der Folge auch nur eine geringe Wertsteigerung.

Abgeschöpft werden soll diese dagegen bei Vorhaben, in deren Folge "eine Bodenwertsteigerung generiert wird". Dies kann entweder eine hohe Nachverdichtung in einem bestehenden Gebiet oder auch die erstmalige Schaffung von Baurecht auf einem bislang unbewohnten Grundstück sein. Nicht möglich ist eine Profitabschöpfung dagegen, wenn ein Bauherr auf seinem Grundstück bereits Anspruch auf Baurecht hat, etwa weil es zwischen bereits bebauten Flächen, also in einer Baulücke, liegt.

Wichtig, damit die Gemeinde überhaupt bei den Bauherren kassieren darf, ist ein Nachweis, dass dies "für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung" erforderlich ist. Da es sich etwa bei der Aufstellung von Bebauungsplänen um eine hoheitliche Aufgabe der Kommunen handelt, dürfen diese dafür kein Geld oder sonstige Leistungen einfordern. Wohl aber Kompensationen für durch die Projekte für die Kommune entstehende Folgekosten.

Diese beginnen bereits mit der Planung. Die dafür anfallenden Kosten muss der Begünstigte selbst tragen - egal übrigens, ob es am Ende überhaupt zu einem Bebauungsplan oder einer Baugenehmigung kommt. Auch die Kosten für Gutachter, Sachverständige und andere in der Voruntersuchung nötigen Experten, muss der Bauwerber übernehmen. Vergleichbare Regelungen gibt es in Vaterstetten allerdings schon länger.

Neu dagegen ist, dass die Gemeinde erstmals die "Folgekosten für die soziale Infrastruktur" berechnet hat. Demnach fallen pro Quadratmeter Wohnfläche Ausgaben von 104,54 Euro an, etwa für den Bau von Krippen, Kindergärten oder Schulen. Dieser Wert ergibt sich aus der Bevölkerungsstatistik der vergangenen und der Prognosen für künftige Jahre. Letztere gehen von einem deutlichen Bevölkerungswachstum und in der Folge einem höheren Bedarf bei Kitas und Grundschulen aus. Durch die neuen Regeln, soll die Gemeinde in die Lage versetzt werden, diesen Bedarf zu decken. Entweder, indem die Bauwerber die 104,54 Euro pro Quadratmeter an die Gemeinde überweisen, die dann damit Kitas und Schulen baut. Oder, und das favorisiert man im Rathaus, indem die Bauherren gleich selber etwa Kindergärten in neuen Wohngebieten dazu bauen und der Gemeinde beziehungsweise den Trägern kostenlos überlassen.

Eine zweite Folgelast des Immobilienbooms sieht man in der Gemeinde in steigenden Preisen, was es für Personen mit geringen oder auch mittleren Einkommen zunehmend schwierig macht, Wohnraum zu finden. Da es aber im Interesse der Gemeinde sei, "sozial stabile Bewohnerstrukturen" zu erhalten, müssen künftig bei jedem Bauprojekt 30 Prozent der Wohnungen sozialen Zwecken dienen. Entweder durch Einbeziehung einer Genossenschaft, durch Bau von Wohnungen mit Mietpreisbindung, durch Einheimischenbauland oder durch Sozialwohnungen. Dies kann entweder durch Übertragung von Flächen an die Gemeinde erfolgen, oder der Bauwerber stellt entsprechende Wohnungen selbst her.

Auch Gewerbegebiete sollen bald sozial verträglicher werden. Dazu ist vorgesehen, dass die Gemeinde bei der Ausweisung neuer Gewerbeflächen 30 Prozent davon selber kaufen - und später auch bewirtschaften - wird. Dort könnten etwa Erweiterungsflächen für örtliche Betriebe geschaffen oder vorgehalten werden auch die gezielte Ansiedelung von Nahversorgung ist möglich.

Im Gremium lobten Mitglieder aller Parteien das Konzept, Kritik gab es höchstens daran, dass so etwas nicht schon viel früher eingeführt worden war. Dementsprechend fiel das Ergebnis der Abstimmung aus, die sozialgerechte Bodennutzung wurde ohne Gegenstimmen beschlossen.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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