Vaterstetten:Großer Schostakowitsch

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Das virtuose Delian-Quartett bildete in der Kirche Maria Königin in Baldham das klangliche Rückgrat des Meisterpianisten Bernd Glemser. (Foto: Christian Endt)

Der Pianist Bernd Glemser und das Delian Quartett bieten makellose und klangsensible Interpretation

Von Claus Regnault, Vaterstetten

Euterpe, die Muse der Musik, meint es gut mit der Region. Zwar ist ihre eigentliche Tätigkeit das Küssen von begabten Komponisten, sie verwaltet aber auch die Versendung illustrer Streichquartette in die musikhungrige Gegend des Landkreises. Letzten Sonntag hat die Muse das fabelhafte "Delian Quartett" mit den Streichern Adrian Pinzaru, 1. Violine, Andreas Moscho, 2. Violine, Aida-Carmen Soanea, Viola, und Jelena Ocic, Violoncello, ausgesandt, welches in der Kirche Maria Königin in Baldham das klangliche Rückgrat des Meisterpianisten Bernd Glemser bildete und dem Konzert südosteuropäische Tonwärme verlieh; der Primgeiger und die Bratschistin rumänisch geprägt, die Cellistin aus Kroatien.

Aufregend schon das vom Üblichen abweichende Programm des Abends: fugenreich von Bach zu Schostakowitsch führend, wobei Glemser ins Spiel kam. Stilgerecht streng die Contrapuncti Nr.1, 4, 9 und 18 aus Bachs "Kunst der Fuge" in einer Bearbeitung für Streichquartett, gefolgt von Präludium es-moll und Fuge dis-moll aus dem Wohltemperierten Klavier Teil 1, in welch letzterem Glemser seine großartige Kunst der subtilsten Abtönung unter Beweis stellte. Glemser spielt ein nahezu "sprechendes" Piano, man hat das Gefühl, von der Musik unmittelbar angesprochen zu werden. Natürlich ist er auch ein fabelhafter Virtuose, aber die Ausdrucksqualität seiner Interpretationen ist überragend. Musik als Verständigung vor aller Sprache!

Glemser bewies dies auch bei den beiden nachfolgenden Schostakowitsch-Stücken "Präludium und Fuge Nr. 14 und 15" aus "24 Präludien und Fugen" op. 87, einem Werk, dessen Entstehung der Einladung des Komponisten zum festlich begangenen zweihundertsten Todestag Bachs am 28. Juli 1950 in Leipzig zu verdanken ist, gleichzeitig wohl auch der emotionalen Betroffenheit des Komponisten von den Zerstörungen der sächsischen Städte.

Schostakowitsch gab auch in der Folge den Ton an, zunächst in der "Theater-Suite", einer Folge von eigens zusammengestellten Schmuckstücken aus den wenig bekannten Schauspielmusiken des Komponisten für "Hamlet" und zu Balzacs "Die menschliche Komödie". Da wird in der barockisierenden "Sarabande" die Viola klangschön ins Spiel gebracht, wird in der "Gavotte" das Pizzicato des Ensembles bis an die Nähe der Unhörbarkeit zurückgenommen. Insgesamt gelingt dem Delian-Quartett eine klangsensible Interpretation einer Musik, die dank ihres geistvollen Witzes mehr ist als nur eine Gebrauchsmusik für den Theateralltag.

Hauptwerk des Abends war das Klavier-Quintett g-moll von Schostakowitsch. Dieses melodiöse Werk von überwiegend lyrischem Charakter genießt dank seiner menschennahen Sprache eine gewisse Popularität. In seiner wie immer klugen Einführung zitiert Hanspeter Krellmann Einstein mit folgenden Worten: "Glücklich wäre die Zeit, in der wieder Formeln der Kunst lebendig wären, als eine Sprache, die von jedermann verstanden wird - oder zumindest von den Verständigen." Schostakowitschs Quintett ist ein solches Werk, emotionale, ja zärtliche Musik, die von jedem "Verständigen" verstanden werden kann. Die makellose Interpretation durch das Delian-Quartett führte dazu, dass sich das Publikum als Gemeinschaft von "Verständigen" erwies, deren fulminanter Beifall als Zugabe die Wiederholung des Scherzos zur Folge hatte.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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