Vaterstetten:Ein Mann im Meer aus Frauenschuhen

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Konrad Koch züchtet in Baldham eine Orchideenart, die es eher kühl mag. Damit ist er eine Ausnahmeerscheinung, denn viele Kollegen hat er in dieser Sparte nicht

Von Johanna Feckl, Vaterstetten

Konrad Kochs Leidenschaft sind Frauenschuhe. Er besitzt viele verschiedene von ihnen: ein paar Einfarbige, einige mit bunten Klecksen versehen; manche sind ganz hoch - andere sehr klein und flach. Seine neuesten sind gerade einmal wenige Monate alt; die ältesten hingegen bereiten ihm schon seit vielen Jahren Freude. Und alle stehen draußen im Garten des Baldhamers. Ungewöhnlich mag dieses Hobby vielen erscheinen; zumindest wenn es bei einem Mann so ausgeprägt ist. Doch bei Kochs Frauenschuhen handelt es sich ja nicht um typische Fußbedeckungen für Damen, sondern um eine Blumengattung, deren Blüten wie Frauenschuhe aussehen. Denn Koch ist Orchideenzüchter.

Weniger ungewöhnlich wird Kochs Hobby dadurch allerdings nicht. Es gäbe zwar viele Züchter für tropische Orchideen, erklärt er. Gemeint sind diejenigen Pflanzen, die in Töpfen mit einem Holzrindensubstrat wachsen und deren Bild wohl die meisten als klassische Orchideen bezeichnen würden. Frauenschuhe jedoch würden ein kühleres Klima und ein "Lichtschattenspiel" bevorzugen, erklärt Koch. Zudem seien sie hier seltener: Er selbst kenne zwar einige Händler von Frauenschuhen; aber nur ein Züchter falle ihm im näheren Umkreis ein.

Beliebt bei Insekten: der Frauenschuh. (Foto: Christian Endt)

Warum es so wenige Frauenschuhzüchter gibt, erklären vielleicht die hohen und oft unvorhersehbaren Verluste bei der Entwicklung vom Keimling bis zur Orchidee. Und auch die lange Zeit, die es bis zur blühenden Pflanze braucht, könnte ein Grund dafür sein. Aus den 100 bis 200 Sämlingen, die Koch in Styroporkästen unter dem schmalen Vordach seines Hauses aussät, werden erst nach drei bis vier Jahren blühende Frauenschuhe. So lange dauert es nämlich bis zur ersten Blüte - sofern die Aufzucht überhaupt erfolgreich ist.

Unter dem Vordach fänden die Frauenschuhkeimlinge genau das Klima, das sie am liebsten mögen, sagt Koch: morgens Sonne, mittags Schatten, am Nachmittag erneut Sonne - und stets sind sie geschützt vor starkem Regen. "Eine Ausrichtung nach Norden ist ideal, um solche Bedingungen zu erhalten." Im Gegensatz zu den tropischen Orchideen stecken die Frauenschuhe in einem Substrat aus gebrochenem Blähton und Bims. "Holzrinde würde bei Regen zu Schimmeln anfangen, was dann sehr schnell auf die Orchideen übergehen würde", erklärt Koch seine Wahl des Substrats.

Eine neue kleine Züchtung, die noch keinen Namen hat. (Foto: Christian Endt)

Etwa 20 Styroporkästen mit Sämlingen reihen sich an der Hauswand des Züchters aneinander. Bereits seit März dieses Jahres stehen sie dort; die höchsten Keimlinge messen mittlerweile schon einige Zentimeter. Jeden Oktober setzt Koch die Jungpflanzen dann in das 200 bis 250 Quadratmeter große Areal im hinteren Teil seines Gartens um. Von Mitte Mai bis Mitte Juni blühen dann dort die vielen Frauenschuharten, die er züchtet.

Dicht aneinandergedrängt sind im Garten kleine Reihen mit Holztrögen angeordnet; davor stehen zahlreiche Töpfe mit Pflanzen. An manchen Stellen sind die Gänge zwischen den Reihen so eng, dass kaum zwei Füße nebeneinander Platz finden. Und dort, wo die Zwischenräume etwas größer sind, stehen oft sogar noch kleinere bepflanzte Holzkästen: Ein Meer aus Frauenschuhen breitet sich so in Baldham aus. Möglich ist dies, da der Garten den Pflanzen optimale Voraussetzungen liefert: Viele Bäume ringsherum sowie der angrenzende Wald bieten die notwendige Mischung aus Sonne und Schatten.

Seit mehr als 20 Jahren geht Koch seinem unkonventionellem Hobby bereits nach. Angefangen hat es mit der Diplomarbeit für sein Gartenbaustudium. Er beschäftigte sich mit der Frage, ob es möglich ist, Frauenschuhe zu kreuzen. Zum damaligen Zeitpunkt forschten zwei Wissenschaftler intensiv an einer Technik, da bis dahin noch niemandem ein solches Vorhaben geglückt war, erklärt Koch. Die Wissenschaftler und auch Koch waren jedoch erfolgreich mit ihren Versuchen. "Die Frauenschuhe haben mich dann nie mehr so richtig losgelassen, sodass ich einige Jahre später mit dem Züchten angefangen habe", sagt er.

Blumenkenner Konrad Koch. (Foto: Christian Endt)

Seitdem wächst sein Bestand an Frauenschuhen kontinuierlich an. "Es waren aber auch schon einmal noch mehr." Denn bis vor einigen Jahren besaß Koch noch eine zweite Frauenschuhanlage in Berchtesgaden. Heute reicht ihm jedoch sein Areal im eigenen Garten. Dort hat er auch eine Art von Frauenschuhen, deren Blüten nur fingernagelgroß sind. Diese Züchtung sei sogar so neu, dass sie noch nicht einmal einen offiziellen Namen trage. Die größten Frauenschuhe hingegen haben Blüten, die mit der Größe eines Gänseeis mithalten können. "Aber die Liebhaber wollen immer die möglichst kleinen haben."

Er selbst züchtet am liebsten "möglichst weite Kreuzungen" - wie beispielsweise die weiße Frauenschuhart namens Ulla Silkens: eine Kreuzung aus dem nordamerikanischen königlichen Frauenschuh und dem Cypripedium flavum aus dem Himalaya. Doch trotz aller Begeisterung sieht Koch das Züchten der Frauenschuhe eher als "erweitertes Hobby". Das Verhältnis von Gewinnmarge und zeitlichem Aufwand lasse mehr nicht zu.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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