Vaterstetten:Denkmal auf Rädern

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Ein Museumswaggon der Vaterstetten Eisenbahnfreunde. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Eisenbahnfreunde Vaterstetten wollen möglichst noch in diesem Jahr eine Ausstellung über die beim Bahnbau eingesetzten Zwangsarbeiter eröffnen. Das Interesse der Bürger an dem Projekt ist groß.

Von Johanna Feckl, Vaterstetten

Seit knapp mehr als drei Jahren werkeln die Vaterstettener Eisenbahnfreunde an einem Projekt, das etwas größer ist, als die Vereinsmitglieder es gewohnt sind - im wahrsten Sinne des Wortes: Seitdem steht nämlich auf einem Feldstück neben der Baldhamer Straße in der Nähe des Reitsberger Hofs ein richtiger Güterwaggon. Er soll einmal eine Gedenkstätte für die zeitweise bis zu 2500 holländischen Zwangsarbeiter sein, die zwischen Herbst 1944 und Frühjahr 1945 an einer Bahntrasse zwischen Zorneding und Feldkirchen bauen mussten.

Mit Hilfe der neuen Bahnstrecke wollte man den stark bombardierten Münchner Ostbahnhof umfahren. Bevor aus dem Waggon ein Erinnerungsort wird, müssen allerdings das Innere und Äußere noch auf Vordermann gebracht werden. Nun öffneten die Eisenbahnfreunde die große Schiebetüre ihres Waggons schon einmal vorab, damit Interessierte einen Blick in das Innenleben werfen konnten.

Noch sind die Innenarbeiten an dem Wagen nicht ganz abgeschlossen. "Aber so viele haben uns gefragt, ob man denn nicht trotzdem schon einmal hineinschauen könnte", sagt der Vereinsvorsitzende Ernst Stegmeier. Die zahlreichen Bitten haben die Eisenbahnfreunde natürlich nicht ausschlagen wollen - und sehen lassen kann sich das Wageninnere auch im unfertigen Zustand allemal: Direkt gegenüber der schweren Schiebetüre hängen zwei Bahnschwellen. Sie stammen aus der Trasse, die 1946 unbenutzt wieder abgebaut wurde. "Um die Bahnstrecke überhaupt bauen zu können, wurden die benötigten Grundstücke von den Landwirten zwangsenteignet", erzählt Stegmeier.

Eine Trasse, länger als ein Güterwagen

Nach Kriegsende wurde alles wieder rückgängig gemacht und die Ländereien ihren ursprünglichen Eigentümern rückübertragen. Ein Vaterstettener Bürger kam in Besitz von zweien der abgebauten Schwellen und spendete sie den Eisenbahnfreunden als Exponate für den Güterwaggon. "Wir möchten gerne noch weitere Materialien aus der Zeit ausstellen, sofern wir solche zur Verfügung gestellt bekommen", erzählt Stegmeier.

Bürgermeister Georg Reitsberger hat ihnen beispielsweise schon originale Bombensplitter versprochen. Unterhalb der Bahnschwellen zieht sich ein Modell der damaligen Bahnstrecke von einem zum anderen Ende des Wagens, insgesamt 14 Meter lang. Das Modell zeigt den Baldhamer Streckenabschnitt in einem Maßstab von 1:120.

Um die gesamte Trasse abbilden zu können, reicht die Länge des Güterwagens nicht aus. Für das Modellbauen hat das bayerische Staatsarchiv den Eisenbahnfreunden drei große archivarische Luftaufnahmen des Gebiets von der amerikanischen Luftwaffe zur Verfügung gestellt. Die Vereinsmitglieder Wierheim Kuss und Gunter Rüdiger haben fünf Monate lang ein- oder zweimal pro Woche an der Miniaturtrasse gewerkelt.

Auf Tafeln des bayerischen Staatsarchivs

Ebenfalls vom bayerischen Staatsarchiv erhalten die Eisenbahnfreunde die geprüfte und in zwei Tafeln aufbereitete Dokumentation; eine über die Bahntrasse und die andere über die Zwangsarbeiter. In einem ersten Schritt haben Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums die Dokumentation im Rahmen eines Seminars recherchiert. Und ein Mitglied der Jugendgruppe der Eisenbahnfreunde stellt derzeit Materialien für eine dritte Tafel zusammen, über die Geschichte des Bahnwagens als Gedenkstätte.

Die Dokumentation soll dann auf 1 mal 1,20 Meter großen Tafeln die rechte Ecke des Bahnwagens ausfüllen. Sobald die Tafeln vom bayerischen Staatsarchiv übergeben sind, soll es noch eine offizielle Einweihung geben. "Wir hoffen sehr, dass das noch heuer passieren wird", sagt Stegmeier. Versprechen kann er es jedoch nicht.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Waggons steht ein 48-Zoll-Fernseher bereit, um in eine Aufhängevorrichtung montiert zu werden. "Wir wollen im Rahmen verschiedener Ausstellungen auch Filme zeigen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Klaus Hugo. Das können sowohl allgemein alte Aufnahmen von Zügen und Bahntrassen sein, als auch Filme mit einem Ortsbezug. Hugo schwebt da zum Beispiel etwas über die alte illegale Brennerei vor, die in Vaterstetten einmal ihr Zuhause hatte. "Unser Ziel ist, den Bahnwagen als Gedenkstätte lebendig zu erhalten."

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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