Theatertage Wasserburg:Wem gehört die Welt?

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Gastgeber liefert überzeugende Robinson-Adaption

Von Peter Kees, Wasserburg

"Furcht vor Gefahr ist zehntausend Mal beängstigender als die Gefahr selbst." So wird der englische Autor des weltberühmten Romans "Robinson Crusoe", Daniel Defoe, im Programmheft des Wasserburger Theaters zitiert. Auf dem Spielplan - die einzige Eigenproduktion im Rahmen der Wasserburger Theatertage - steht eine Adaption des Stoffes: "Robinson" von Raoul Biltgen, einem 1974 in Luxemburg geborenen Schriftsteller, Schauspieler, Theatermacher und Psychotherapeuten. "Meine Insel gehört mir", ist das Stück untertitelt. Verhandelt werden Fragen von Eigentum, Fremdsein und Asyl.

Robinson lebt seit Jahren auf einer einsamen Insel und hat sich alles geschaffen, was er zum Leben braucht. "Alles meins": sein Haus, seine Tiere, der Sand, unzählige Palmen, die ganze Insel. So ist es, bis ein Fremder kommt, ein zweiter Schiffbrüchiger. Doch schon vor dessen Auftauchen hat Robinson Angst davor, dass ihm jemand etwas wegnehmen könnte. Er denkt darüber nach, einen Zaun um die Insel zu bauen. Kaum begegnen sich die beiden Gestrandeten, macht Robinson seine Ansprüche klar: "Es ist meine Insel. Hier befehle ich... es gibt Rechte und Pflichten und Gesetze und Werte, an die sich gehalten wird... ich werde mich nicht anpassen, du wirst dich mir anpassen".

Wie war das bei Rousseau? "Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen: ,Dies gehört mir', und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ,Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört'." Diesen Gedanken an zwei Schiffbrüchigen auf einer einsamen Insel durchzudeklinieren, ist klug. Was ist nun mein? Die beiden Männer teilen das gleiche Schicksal, nur einer war eben zufällig vor dem anderen da. Biltgens Zwei-Personen-Stück spiegelt damit die gegenwärtige Debatte um Flucht und Asyl. "Was willst Du?", fragt Robinson. "Hilfe", antwortet der andere.

In der Inszenierung des Wasserburger Theaters (Regie: Frank Piotraschke) ist die Bühne leer. An der Rückwand eine Videoprojektion, sie zeigt eine Palme im Wind. Benedikt Zimmermann alias Robinson steht in schwarzem Anzug auf der Bühne, barfüßig. Mit Blicken mustert er sein Publikum, geht auf und ab, die Hände in den Hosentaschen, er scheint gelangweilt. Dann setzt er an zu einem etwa 30-minütigen Monolog. Da steht jedoch kein Schiffbrüchiger, vielmehr ein Comedian. Kreischend, lachend erzählt er einen Witz: Von einem Kreuzfahrtschiff aus habe er auf einer einsamen Insel in der Weite des Meeres einen Mann mit langem weißen Bart gesehen. "Der freut sich jedes Jahr, wenn wir vorbeikommen", habe der Kapitän gesagt. Dann schildert der Mann auf der Bühne Robinsons Leben und dessen Angst vor Fremden, weshalb er als "Immobilien- und Großgrundbesitzer" begonnen habe, seine Insel zu bewachen.

Der Auftritt des zweiten Robinson (Mike Sobotka), der freilich nicht so heißen darf und deshalb Freitag getauft wird, gipfelt in einem tänzerisch inszenierten Kampf der beiden Protagonisten. Auf der Leinwand sieht man zwei rangelnde Steinböcke dazu. Robinson will, dass sein Kontrahent wieder verschwindet aus seiner Mein-Welt. Der zweite Witz des Abends beendet auch das Stück: Die beiden Männer treffen auf eine Fee und haben jeweils einen Wunsch frei. "Ich will wieder nach Hause zu meiner Familie," wünscht der erste. Schwupp ist er weg. "Schon bin ich ganz alleine. Ich wünsche mir den anderen wieder zurück," lautet der Wunsch des anderen.

Piotraschke und Sobotka haben diese "kluge gesellschaftskritische Parabel über Angstdenken in Bezug auf das Fremde" - so die Jurybegründung zum Niederländisch-Deutschen Kinder- und Jugenddramatikerpreis 2017 für das Stück - sehr überzeugend gespielt. Tatsächlich nachdenklich verlässt man nach einer guten Stunde das Theater.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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