Schlechte Finanzlage:Armes Vaterstetten

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Erstmals seit Jahren steht der Ort wieder so schlecht da, dass er vom Freistaat finanzielle Unterstützung erhält. Dennoch ist der Gemeinderat überwiegend zufrieden mit dem Haushalt - auch, weil Land in Sicht ist

Von Karin Kampwerth, Vaterstetten

Wenn ein Kämmerer keinen Sack voller Geld, sondern voller schlechter Nachrichten dabei hat und trotzdem gefeiert wird, muss der Mann gut sein. So ist es dem Chef über die Vaterstettener Finanzen am Donnerstagabend im Gemeinderat ergangen. Obwohl Markus Porombka eine Kreditaufnahme in Höhe von 11,8 Millionen Euro ankündigte und einen Schuldenstand zum Ende des Jahres von 18,8 Millionen Euro und 2019 von 27 Millionen Euro prognostizierte, bekam der Kämmerer Beifall von allen Fraktionen. Einstimmig beschlossen wurde der Haushalt trotzdem nicht.

Die Grünen konnten sich wegen der Planungskosten für die Parsdorfer Umgehungsstraße nicht zu einer Zustimmung durchringen, "weil wir die Umfahrung nicht brauchen", wie Stefan Ruoff sagte. Manfred Schmidt (FBU/AfD) ärgerte sich nicht nur über den Flächenfraß, den die Umfahrung mit sich brächte, sondern auch darüber, dass die Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Arbeit der Bürgermeistervertreter von 43 000 Euro im Vorjahr auf nun 58 000 Euro steigt. Hier könne man beinahe von einer "berufsmäßigen Teilzeitbeschäftigung" des Zweiten Bürgermeisters Martin Wagner ausgehen, sagte Schmidt. Rathauschef Georg Reitsberger (Freie Wähler) übertrage Wagner wohl sehr ausgiebig Aufgaben vor allem bei Grundstücksverhandlungen, was der FBU/AfD-Politiker darauf schob, dass Reitsberger "mit fast jedem im Ort verwandt oder verschwägert" sei und sich deshalb für befangen halte.

Reitsberger selber sparte sich eine lange Ansprache, lediglich ein klares Bekenntnis zur Parsdorfer Umfahrung gab er nochmals ab. "Die Orte müssen entlastet werden", sagte der Bürgermeister. Die Erklärung des Zahlenwerks überließ er Kämmerer Porombka, der die verschiedenen Posten trotz aller notwendigen Ausgaben durchaus gut gelaunt präsentierte. Das lag auch daran, "dass wir die Mindestzuführung zum Vermögenshaushalt locker erreichen", wie er sagte.

Porombka führte den ausgeglichenen Haushalt auf stabile Ausgaben für die Kinderbetreuung, die gesunkene Kreisumlage und die gestiegene Gewerbesteuer zurück. Immerhin könne die Gemeinde hier ein Einnahmeplus von 1,7 Millionen Euro auf 9,2 Millionen Euro verzeichnen. Allerdings räumte der Kämmerer ein, dass Vaterstetten damit immer noch deutlich unter dem bayernweiten Durchschnitt der Gewerbesteuereinnahmen liege. Bei der Größenordnung der Gemeinde müssten diese bei 13 bis 14 Millionen Euro liegen.

Erfreulich ist die Einkommenssteuerentwicklung. Konnte die Kämmerei 2012 noch 12,6 Millionen Euro verbuchen, werden es in diesem Jahr mehr als 20 Millionen Euro sein, was Porombka auf die gute Konjunktur in Bayern und die vielen Besserverdiener im Ort zurückführte. Dennoch: Zu den finanzkräftigen Gemeinden gehört Vaterstetten nicht. Im Prinzip ist die Gemeinde regelrecht bedürftig, sie erhält erstmals seit Jahren wieder Schlüsselzuweisungen in Höhe von 176 000 Euro vom Freistaat. "Keine Unsumme", wie der Kämmerer sagte, aber immerhin.

Gleichwohl ist den Gemeinderäten auch klar, warum die Finanzen derzeit deutlich im Minus sind. Die Höhe der Investitionen beträgt in diesem Jahr 29 Millionen Euro, alleine 9,3 Millionen Euro werden für den Neubau des Schulzentrums fällig. Von Herbert Uhl von den Freien Wählern wurde das als überproportionaler Anstieg der Ausgaben kritisiert. Das Einnahmenwachstum hätten die Freien Wähler lieber den Rücklagen zugeschrieben. Der Kämmerer empfahl stattdessen dringend, Grundvermögen zu veräußern, um die Verschuldung von 2020 an wieder deutlich zu reduzieren und 2021 schon wieder Rücklagen in Höhe von 23 Millionen Euro auf der hohen Kante zu haben. Land ist also durchaus in Sicht: Die Schulden sollen dann nur noch 18,7 Millionen Euro betragen und weiter sinken.

Ein Ausblick, der SPD-Fraktionsvorsitzendem Josef Mittermeier lobende Worte entlockte. Dass die Genossen mit dem Zahlenwerk durchaus zufrieden seien, liege auch an der Bereitschaft Porombkas, sich während er Vorbereitungen für den Haushalt mit den Fraktionen konstruktiv auseinander zu setzen. Grundsätzlich fehlt Mittermeier aber die politische Perspektive. "Wir schieben in der Gemeinde Vaterstetten einige Aufgaben und Probleme seit Jahren vor uns her, zum Beispiel Bücherei, Rathaus, Wendelsteinschule und nicht zuletzt den Bürgersaal", sagte Mittermeier. Und noch immer sei unklar, wie es da weitergehe. "Wir würden uns deshalb wünschen, dass sich der Bürgermeister nicht über die 25. oder 26. Umgehungsvariante intensiv Gedanken macht, sondern dass er und seine Verwaltung sich mit den wirklichen Herausforderungen auseinandersetzen."

Christl Mitterer machte sich für die CSU Gedanken über die Einnahmenseite. Sie kritisierte die geplante Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung - nicht zuletzt auch deshalb, weil Vaterstettens Straßennetz aus den 1960er und 1970er Jahren stamme und saniert werden müsse. So stünden in diesem Jahr ohne die Parsdorfer Umfahrung schon 1,6 Millionen Euro für Tiefbaumaßnahmen im Investitionsplan, "und wir fragen uns, wo das Geld herkommt". Zudem würden viele Aufgaben in höheren politischen Gremien beschlossen, etwa der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Schulkindern, der im Koalitionsvertrag stehe. "Da kommt viel auf uns zu", sagte Mitterer auch mit Blick auf die dringend notwendige Sanierung der Wendelsteinschule. Aus CSU-Sicht lassen sich alle anstehenden Ausgaben nur dadurch bewältigen, dass neue Gewerbegebiete ausgewiesen und entsprechend mehr Gewerbesteuern eingenommen werden.

Ein Gesamtkonzept, wie vor allem ihr "Herzensprojekt", die Sanierung der Wendelsteinschule, finanziert werden kann, forderte auch Renate Will (FDP), die dafür freiwillige Leistungen infrage stellt. "Ich bin keine schwäbische Hausfrau", sagte Will, aber sie wissen, dass man auf Kleines verzichten müsse, wenn man sich Großes leisten wolle.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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