Pliening:Wadlbeißer im Ruhestand

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Zuhause ist für Stefan Seizl sein Elternhaus und auch der Ortsteil Landsham, wo seine Vorfahren schon im 17. Jahrhundert gelebt haben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Stefan Seizl, Gründer der Wählergruppe Alternative für Pliening, ist heuer 70 geworden und scheidet nach 32 Jahren aus dem Gemeinderat aus

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Eines steht wohl fest - zumindest zeigten sich die Sprecher der Fraktionen im Plieninger Gemeinderat darin selten einmütig: Das Gremium ohne Stefan Seizl wird ein anderes sein als mit Stefan Seizl. Und es wird allemal ein Ärmeres sein. Auch wenn Seizl, der sich mit dem Hinweis darauf, dass er heuer 70 Jahre alt geworden ist, nun aus dem Gemeinderat verabschiedet, sich das eine oder andere Mal "recht allein" gefühlt hatte in den 32 Jahren, die er ihm angehörte. Das sagte er in seiner letzten Sitzung vergangene Woche. Dass er daran selbst nicht immer ganz unschuldig war, fügte er kurz darauf bei einem weniger offiziellen Anlass hinzu.

Der Beinamen, die der streitbare Landshamer im Lauf seiner Karriere verpasst bekam, sind es viele, von denen die meisten auf den Altbürgermeister Josef Strigl zurückgehen, den Vorvorgänger des heutigen Chefs im Rathaus Roland Frick. Einige von ihnen zitierte Seizl genüsslich selbst, "Wadlbeißer" und "vermeintlicher Revoluzzer" waren darunter. Vom "Robin Hood von Landsham" sprach Bürgermeister Frick an anderer Stelle. Und warum sich Seizl die Spitznamen verdient hatte, erklärte Frick (CSU), bevor er dem scheidenden Gemeinderat seine Urkunde überreichte. Seizl habe sich nie verbiegen lassen. Aber wenn man ihn überzeugt hatte, habe man sich auf ihn verlassen können. So viel Standfestigkeit an den Tag zu legen und so viel Zeit und Kraft für sein Ehrenamt aufzubringen, "das macht man nur, wenn man von seinem Tun überzeugt und in seinem Heimatort verwurzelt ist".

Verwurzelt ist Stefan Seizl in Landsham, wo die Spuren seiner Vorfahren bis 1670 zurück reichen, und von wo es ihn nie weg gezogen hat, auch nicht, als er noch berufstätig und für die Allianz im Außendienst unterwegs war. Seit vielen Jahren lebt er mit seiner Lebensgefährtin in seinem Elternhaus, das er um- und ausgebaut hat. In der gemütlichen Wohnküche, wo man an einem schweren Holztisch sitzt, "hatten meine Eltern den Marmeladenraum", erzählt er, "da drüben stand die Obstpresse". Geboren sei er hinten im Garten, "in einer Holzhütte, in der meine Eltern gewohnt haben". In der Küche reicht Seizl heute noch Erzeugnisse aus dem eigenen Garten: feinen Saft, gepresst aus den Früchten eines alten Apfelbaums, der vor dem Fenster steht.

Dass er alte Dinge pflegt und ihre Geschichte würdigt, ist eine der Eigenschaften, die auch seinen Einsatz im Gemeinderat geprägt haben. Noch heute, erzählt er, blute ihm das Herz darüber, dass die alte Landshamer Schule abgerissen wurde. Oder, ein wohl noch größerer Schmerz: der Verlust der über 100 Jahre alten Landshamer Brennerei, an deren Stelle nun der Dorfplatz entsteht. Mit aller Kraft hatte sich Seizl bis zum Abriss des Ziegelgebäudes für dessen Erhalt eingesetzt, eine Unterschriftensammlung organisiert, doch da hatten die Bagger bereits begonnen, die Mauern einzureißen. Der Gemeinderat hatte es abgelehnt, das Ensemble zu kaufen. "Dass die Eigentümer (die Landshamer Brennereigenossenschaft, Anm. d. Red.) das Grundstück möglichst teuer verkaufen wollten, das versteh ich ja", sagt Seizl, aber die Gemeinderäte, die habe er nicht verstanden. "Ich hab' sogar mal überlegt gehabt, mich an den Kamin zu ketten", erzählt er mit einem Schmunzeln.

Für die Parteifreien und die Freien Wählte war Seizl im Gemeinderat gesessen, hatte zweimal für das Bürgermeisteramt kandidiert, 2007 die Alternative für Pliening gegründet und mit der neuen Formation auf Anhieb drei Sitze geholt. Die Entscheidung für den Bau des Kindergartens St. Barbara war eine der ersten, an der er mitwirkte, jene für das neue Plieninger Feuerwehrhaus neben dem Bürgerhaus eine der letzten. Diebische Freude ist ihm anzumerken, wenn er davon spricht. Habe er sich doch von Anfang an dafür eingesetzt, dass Plieninger und Geltinger Wehr gemeinsam am jetzigen Standort bauen sollten, was lange an Widerständen gescheitert war. "Jetzt ist es doch so gekommen", sagt er nicht ganz ohne jene Vehemenz, die seine Wortmeldungen im Gemeinderat oft ausgezeichnet hat. Mit Überzeugung und Willenskraft setzt er sich auch für seine anderen Projekte ein, denen er jetzt mehr Zeit widmen kann: darunter die Organisation einer jährlichen Spendenfahrt für die Weißrusslandhilfe, den von ihm gegründeten Heimatverein und den Landshamer Stefani-Ritt, den er vor drei Jahren wiederbelebt hat, und der immer am 26. Dezember stattfindet.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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