Pliening:Von Scharwerksbauern und Königen

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Angereichert ist die Ortschronik mit vielen Abbildungen, diese zeigt Landsham um das Jahr 1910. (Foto: Willi Kneißl/oh)

Willi Kneißl hat den fünften Band der Plieninger Schriftenreihe "Unsere Heimat" vorgelegt: Die Landshamer Hofgeschichten reichen zurück bis ins 11. Jahrhundert

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Es sind diese in unseren Ohren fremd klingenden Worte wie Feichten oder Tagwerk, Gült, Heugert oder Pflegsverwalter, die die besondere Würze ausmachen von Geschichten aus der Vergangenheit. Zumal dann, wenn sie, wie bei Willi Kneißls neuester Ortschronik, auf 352 Seiten eingebettet sind in den Versuch, das Geschehene nicht nur zu dokumentieren, sondern von den Menschen zu erzählen, an die nur Namen in den Archiven erinnern.

Den mittlerweile 5. Band der Plieninger Schriftenreihe "Unsere Heimat" hat der Ortschronist nun vorgelegt. Dafür hat sich der mittlerweile 81-Jährige, der selbst in Gelting zu Hause ist, mit dem Ortsteil Landsham beschäftigt, jenem Gemeindeteil, mit dessen historisch jüngerem Umfeld er, wie er selbst sagt, nicht so sehr vertraut ist. Das merkt man aber nicht, wenn man sich die 42 Landshamer Hofgeschichten vornimmt, die von der ältesten Hofstatt, dem zwischen 1004 und 1006 erstmals in den Annalen erscheinenden Gut Gerharding westlich von Moos, bis zum Weidamoarhof an der Erdinger Straße 17 reichen. Er ist 1912 gegründet und damit das jüngste Gehöft, das als prägender Hof in der Ortsgeschichte eine Rolle spielt.

Mit etlichen Häusern im Gemeindeteil hat sich Kneißl bereits vor Jahren beschäftigt, etwa mit der Bäckerei Meier an der Schulstraße 2. Sie gehört zu jenen 70 ehemaligen Höfen in Pliening, die zur 1200-Jahrfeier der Gemeinde 2013 eine Hoftafel bekommen haben, welche auf die in diesem Fall bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende Geschichte verweist. Wo es heute, laut Kneissl, die besten Semmeln im Ort zu kaufen gibt, stand früher einer der fünf Landshamer Urhöfe, Eigentum des Grafen Friedrich von Haching. Von einem Wolf Widmann, anno 1612, ist unter anderem die Rede, der mit einer Sondersteuer von neun Gulden und einem Schilling belegt ist, was auf einen "beträchtlichen geräumigen Getreidespeicher" hinweist, den der Bauer sein Eigen genannt haben muss. Vom Namen Widmann leitet sich der heute noch bekannte Hausname "Wimmer" ab. "Man nimmt an", schreibt Kneißl weiter, "dass hier auch das dem Pfarrer zustehende Landshamer Zehentgetreide nach dem Abdreschen gelagert wird", ehe das Korn in Säcken vom "Scharwerksbauern zur Schranne am Platz nach München gekarrt wird."

Mit Platz ist der Marienplatz gemeint, ein Scharwerk verrichten bedeutet, dem Gerichtsherren dienen, was vom Abtritt räumen und Holz machen bis zum "Wild in den Schuss jagen" reicht, und mit dem "Zehentgetreide", eingeführt unter Karl dem Großen, wurden die geistlichen Herrschaften ernährt, zu deren Einflussgebiet Höfe oder ganze Dörfer gehörten. Die Liste der altertümlichen Begriffe, die Kneißl mit großer Selbstverständlichkeit verwendet, erläutert er in einem umfangreichen Glossar, wo der landwirtschaflich Unbeleckte etwa erfährt, dass ein Tagwerk die Ackerfläche ist, die ein Pferdegespann in einem Tag pflügen kann. "Feichten" steht für Fichtenholz, "Gült" ist die jährliche Abgabe des Bauern an den Grundherrn, "Heugert" die Heuernte; und der Pflegsverwalter hieße heute Niedergesäß: Er ist nichts anderes als der Landrat.

Wo Kneißl nicht in den Briefprotokollen der Staatsarchive und des Diözesanarchivs fündig wurde, steuerte der Landshamer Familienforscher Zeno Brandl vieles von dem bei, was er im Ort gesammelt hat. Aus seinen Schubladen stammen viele Bilder, die die Hofgeschichten illustrieren. Geschrieben ist das Buch zwar in erster Linie für die Landshamer, die vielleicht auf den einen oder anderen überraschenden Aspekt ihrer eigenen Familiengeschichte stoßen werden. Doch wer sich heute beim Königer im Hotel einbucht, den wird es vielleicht ebenso interessieren, dass von hier aus im Jahre 1848 die Postkutschen und Postreiter in alle Himmelsrichtungen starteten. Und dass Georg Jell, der Sohn des Bauern vom Kratzerhof, dem heutigen Gasthof Stocker, bei einem Pferderennen anlässlich des Oktoberfests 1827 auf einem "langgeschweiften siebenjährigen braunen Wallach" unter den Augen von König Ludwig I. und seiner Gemahlin Therese einen fünften Platz erreichte.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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