Pflege:Kein Platz für die Lieben

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Nur wenige Heime im Landkreis können bei Notfällen Kurzzeitpflege anbieten. CSU und FDP wollen das mit einem neuen Konzept ändern und erhalten im Sozialausschuss dafür viel Zustimmung

Von Theresa Parstorfer, Ebersberg

Das Herz machte nicht mehr mit. Im vergangenen Jahr musste Angelika Merxmüller operiert werden. Vier Tage lag sie deswegen in einem Krankenhausbett in Ebersberg. Den Eingriff selbst spürte sie leicht benebelt über die lokale Betäubung hinweg. "Aber es musste gemacht werden", sagt sie heute. Sie ist froh, dass alles gut verlaufen ist. Froh ist sie allerdings auch, dass der Eingriff überhaupt vorgenommen werden konnte. Denn einfach so vier Tage nicht zu Hause sein, ist für Merxmüller nicht selbstverständlich.

Zu Hause, in Frauenneuharting, in einem Haus voller Stufen und Treppen pflegt Merxmüller seit Jahrzehnten ihre 40-jährige, schwerbehinderte Tochter Heidi. Sie war eines der ersten Kinder im Steinhöringer Einrichtungsverbund, doch es ist schwierig bis unmöglich, dort kurzfristig für ein paar Nächte ein Bett belegen zu können. Bei der Herz-OP hatte sie Glück. "Aber was ist, wenn mir etwas passiert? Was passiert dann mit der Heidi?", diese Fragen stellt Merxmüller oft. Sie weiß, dass es nicht Schuld des Einrichtungsverbundes ist, sondern Zeichen eines strukturellen Problems. "Der Bedarf für Kurzzeitpflege ist auf jeden Fall groß", sagt sie.

So sehen das auch die Vertreter der CSU/FDP-Fraktion im Ebersberger Kreistag. Deshalb haben sie nun beantragt, "den Prozess zur Einrichtung und Sicherung von Kurzzeitpflegeplätzen im Landkreis" aktiv anzugehen. In der Sitzung des Sozialausschusses berichtete Rolf Jorga (CSU) von einem ihm bekannten Fall, der dem von Angelika Merxmüller sehr ähnlich ist.

Für zwei Wochen habe die anonyme Landkreisbürgerin einen Pflegeplatz benötigt. Doch die Antworten aus den Heimen seien "durchweg niederschmetternd" gewesen. So steht es in der Begründung des Antrags. "Wir sind im Umbau; unser Heim ist zu klein für Kurzzeitpflege; wir haben keine Zimmer; abwarten, bis jemand stirbt." Auch im Sitzungssaal glaubt niemand, dass dahinter böse Absichten stecken, sondern die Tatsache, dass die Pflegelast in Heimen und Kliniken viel zu groß ist. Dass es schlicht keine Kapazitäten gibt, um kurzfristig und kurzzeitig zusätzliche Pflegepatienten aufnehmen und versorgen zu können.

Ein inakzeptabler Zustand sei das, auch darüber sind sich die Kreisräte einig, schließlich ist im Pflegepaket der bayerischen Staatsregierung eine Stärkung der Kurzzeitpflege vorgesehen. Laut Seniorenwegweiser bieten bereits elf von 15 Pflegeeinrichtungen Kurzzeitpflege an, wie die Erfahrung zeige, reiche dies jedoch nicht aus. Jorga und seine Kollegin Marina Matjanovski (CSU) drängen deshalb darauf, "den Bedarf an Kurzzeitpflegeplätzen zusammen mit den im Landkreis Ebersberg tätigen freigemeinnützigen und privaten Trägern zu ermitteln" sowie ein gesichertes Kurzzeitpflegemodell für den Landkreis zu erarbeiten.

Während Renate Glaser (SPD) die Dringlichkeit in Sachen Kurzzeitpflege nicht in Abrede stellt, weist sie doch "auf das Problem der Finanzierung" hin. Kein Altersheim-Träger würde ein "leeres Bett hinstellen, weil er dafür kein Geld bekommt", so Glaser. Dem entgegnete Jorga, dass von der Staatsregierung bereits fünf Millionen Euro im Jahr zu eben diesem Zweck in Aussicht gestellt wurden. 500 Kurzzeitpflegeplätze könnten damit in Bayern effektiv gefördert werden. Das sei zwar ein "Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Anfang", so Jorga.

Wilfried Seidelmann (Freie Wähler), selbst Arzt wie auch Glaser, sieht das größere Problem jedoch in der tatsächlichen Umsetzung. Denn auch wenn aus finanzieller Hinsicht ein Bett hingestellt werden kann, "sobald ein Notfall da ist, wird das auch belegt werden, egal ob das ein Kurzzeitpflegepatient ist oder nicht." Deshalb schließt er sich seiner Vorrednerin von der SPD an und fordert einen Runden Tisch, um den genauen Handlungsbedarf zu ermitteln. Er könne sich beispielsweise vorstellen, dass die Einrichtung spezieller Stationen für die Kurzzeitpflege einen Lösungsansatz darstellen könnte.

Auf diesen Ansatz einigt man sich: Im September wird ohnehin ein Zusammentreffen zum Thema Pflegeheime stattfinden, sodass dort mit allen betroffenen Trägern über das Problem gesprochen werden kann. Außerdem soll das Thema Kurzzeit- und Verhinderungspflege schwerpunktmäßig in den für 2020 geplanten Bedarfsplan eingearbeitet werden.

Nicht nur die Kreisräte wollen also konkrete Ergebnisse im Bereich Kurzzeitpflege sehen, auch Angelika Merxmüller hofft, dass sich "da etwas verbessert". Manchmal pocht ihr Herz schon wieder verdächtig. Vielleicht wird sie bald wieder ins Krankenhaus müssen. Sich zum ersten Mal nicht mehr die Frage stellen zu müssen: "Was passiert dann mit der Heidi?" Ddas würde sie sich wünschen.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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