Neue Stellplätze am Bahnhof:Ende der Parkplatz-Odyssee

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Autos von Pendlern belagerten lange die Wohngebiete um den Grafinger Bahnhof. Die Anwohner waren stinksauer. Jetzt wurden 487 neue Parkplätze eingeweiht - und es werden sogar noch mehr.

Thorsten Rienth

Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) ist nun wirklich keiner, der schnell Emotionen zeigt. Beim Ausbau des P&R-Parkplatzes in Grafing-Bahnhof dagegen frohlockt er regelrecht: Man sei nun endlich auf dem Weg zu "geordneten Verhältnissen, so wie man das im 21. Jahrhundert zu erwarten vermag".

Die leeren neuen Parkplätze westlich von Grafing-Bahnhof werden sich heute sicherlich füllen. Dafür fallen für die nächsten Wochen jene im Osten aufgrund von Umbaumaßnahmen der Bahn weg. (Foto: region.ebe)

Am heutigen Montag wurden die neuen Parkplätze westlich der Bahngleise freigegeben, was vor allem auch die Bewohner des Stadtteils freut. Denn der Auftakt des endgültigen Ausbaus dürfte vor allem aus ihren Straßen den Parkdruck nehmen und sie von dauersuchenden Autofahrern befreien. Weil die vorhandenen Parkplätze - inzwischen sind es rund 600 Stück - bei weitem nicht ausreichen, weichen bisher viele Pendler auf die Nebenstraßen aus. Sehr zum Ärger der Anwohner.

"Für die Leute, die ihre Autos da morgens in der Eile abstellen, habe ich ja fast Verständnis", sagt beispielsweise Reinhard Schall, der in der Birkenstraße wohnt. "Die müssen in die Arbeit und wollen ihren Zug erwischen." Ihn ärgere vor allem das Verhalten der Bahn. Ein "regelrechten Kleinkrieg" habe man sich mit dem Konzern geliefert. "Jede Gaststätte oder jedes Kaufhaus muss genügend Parkplätze zur Verfügung stellen - die Bahn offenbar nicht."

Schall und seine Nachbarn machen keinen Hehl daraus, dass es bei ihrem Ärger auch um die eigenen Parkplätze geht. Sie sind oftmals belegt. Vor allem den Eltern sei noch etwas ganz anderes sehr wichtig, erzählt Schall: "Wenn hier so viele Autos parken, hat das zwei Effekte: Erstens fahren auch mehr durch und zweitens gibt es mehr Lücken zwischen den Autos, durch die Kinder durchflitzen können - und hier flitzen sehr viele Kinder herum."

Auch die Gastronomen stöhnen. "Es ist wirklich schlimm", erzählt Konstantin Akrivis von der "Taverne Orfeas". "Da werden morgens die Autos bei uns abgestellt, und wenn mittags die Kunden kommen, finden die keinen Parkplatz." Wem das ein paar Mal hintereinander passiere, der werde sich wohl einen anderen Mittagstisch suchen. Das sind nicht die einzigen Probleme: An so manchem Tag stehen die Autos bis ins benachbarte Nettelkofen - und zwar auf beiden Seiten der schmalen Ortsverbindungsstraße. Dass es dabei in der winterlichen Dunkelheit noch nicht zu ernsteren Unfällen zwischen gehetzten Pendlern und Fußgängern gekommen ist, empfindet man im Stadtrat als ein mittleres Wunder.

Die Eröffnung der 487 Parkplätze auf der Westseite der Gleise - sie sind über eine Zufahrt zu erreichen, die direkt nach der Unterführung der Strecke München-Rosenheim rechts abbiegt - ist für Anwohner, Gastronomen und natürlich die Pendler Balsam. Und der Anfang vom Ende der Parkplatz-Odyssee.

Denn gleichzeitig beginnt der zweite Bauabschnitt. In dessen Zuge werden die zumindest rechnerisch existierenden 300 Stellplätze nördlich des Bahnhofsgebäudes angepackt. 227 übersichtliche Parkplätze sollen dort entstehen. Schon im Herbst will Grafing die Eröffnung feiern. Im Gegenzug baut die Stadt die rund 120 Stellplätze auf dem Behelfsparkplatz im Norden der Firma Glass zurück. Unterm Strich heißt das: Die derzeit - je nach Parkweise - bestehenden 600 Parkplätze werden um gut ein Drittel auf dann insgesamt 911 Stück erhöht.

Eine lange "Leidensgeschichte"

Bis dahin war es ein langer Weg. Oder wie es Bürgermeister Heiler nennt: eine lange "Leidensgeschichte". Ging es in den vergangenen Jahren um die Erweiterung der Parkplätze, hatte Grafing wenig Glück - allerdings ohne dabei eine unglückliche Figur zu machen. Regelrecht grotesk war die Situation, betrachtet man sie über einen längeren Zeitraum: Genauso schnell wie neue Parkplätze hinzukamen, stieg auch die Attraktivität des Pendlerbahnhofs. Das freilich ließ auch die Zahl der Autos ansteigen. Ihre Bedarfsprognosen erhöhte die MVV folglich regelmäßig.

Der Bau der neuen Parkplätze ist nicht zuletzt deshalb so etwas wie eine endlose Grafinger Geschichte. Pläne wurden erstellt und verworfen, Kosten veranschlagt und nachkalkuliert, Verhandlungen geführt, abgebrochen, wieder aufgenommen. Alleine Heilers Kurzversion der Chronik der vergangenen Jahre ist fünf kleinbedruckte Seiten lang. Der Bürgermeister weiß nur zu gut darüber zu berichten: "Im Laufe der Zeit hatte ich zig Gespräche mit Wirtschaftsministern, Staatssekretären, Abgeordneten, mit Konzernbeauftragten der DB und Regionalleitern für Südbayern der DB-Station sowie vor allem mit der Regierung von Oberbayern." Letztere richtete ob der Grafinger Hartnäckigkeit gar einen Jour-Fixe ein, "bei dem wohl 20 Mal alle Akteure zusammenkamen".

"Das war beziehungsweise ist eines der allergrößten Infrastrukturprojekte der Stadt in den letzten zehn Jahren überhaupt", ordnet Heiler das Vorhaben ein. Wichtig sei ihm dabei vor allem, dass Grafing lediglich die Kosten für die Zufahrtswege übernehmen müsse. Ganz kostenlos sind die neuen Parkplätze nicht. Der Stadtrat hat in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen, von Oktober an 50 Cent für 24 Stunden und 75 Euro für eine Jahreskarte zu verlangen. Geld verdienen wird Grafing damit nicht. Mit den Einnahmen gleicht die Stadt lediglich die Unterhaltskosten aus.

Heiler gehört zwar nicht zu den Pendlern, die tagtäglich in Grafing Bahnhof indem Zug steigen. Betroffen ist er dennoch, schließt ist der Ausbau eines seiner persönlichen Wahlkampfversprechen - aus dem Jahr 1996.

© SZ vom 14.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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