Neue Ausstellung in Forstinning:Kreative Konkurrenz

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Christine Broß aus Grafing stellt der Strenge ihrer Ikonen das fruchtbare Chaos ungezügelter Malerei gegenüber

Von Alexandra Leuthner, Forstinning

Auf einen zweiten Künstler konnte Renate Block für ihre neueste Ausstellung getrost verzichten. Das Konzept, das die Galeristin forciert, lebt meist von der Reibung, die entsteht, wenn Bilder aus unterschiedlicher Hand, die von völlig verschiedener Herangehensweise erzählen, oder unter Verwendung grundverschiedener Techniken gefertigt wurden, nebeneinander hängen. Das alles findet sich diesmal in den Bildern einer einzigen Malerin wieder: Christine Broß.

Nicht zum ersten Mal stellt die Künstlerin aus Grafing im Landkreis ihre Ikonenbilder aus - neu aber ist die eindrucksvolle Kombination mit ihrer modernen, teils abstrakten Malerei, welche die Schau in der Forstinninger Galerie im Tiermuseum nun bietet. Gerade das, was die religiöse Darstellung über die Jahrhunderte hinweg kennzeichnete, das völlige Zurücktreten des schöpferischen Individuums, konterkariert Broß in ihren großformatigen Acrylbildern. Wobei der Ikonenmaler - und auch das zieht sich durch die Geschichte dieser ganz speziellen, bildhaften Huldigung des Göttlichen - nichts anderes als ein Meister seines Fachs sein durfte.

Nach genauesten Vorgaben musste und muss ein solches Bildnis beschaffen sein, von der strikten Zweidimensionalität, vor allem bei mittelalterlichen Darstellungen byzantinischer Tradition, über den Verzicht auf die Zentralperspektive bis hin zur Beschriftung. Ohne Beschriftung ist ein Bild keine Ikone - und wird auch nicht geweiht. Die Formen sind klar strukturiert, die Hauptperson groß, ohne Körperlichkeit und somit auch schattenlos. Der Hintergrund ist nicht gestaltet, sondern meist mit einem verschwenderischen Auftrag von Blattgold belegt, als Symbol für das himmlische Licht. Die Darstellung soll nichts Irdisches haben, also darf sie auch nicht lebensecht sein. Nach orthodoxer Theologie ist die Ikone ein Werk Gottes, der Ikonenmaler nichts als ein geistlicher Handwerker und, zumal im Augenblick des Malens, ein Werkzeug Gottes: Er bringt auf die Tafel, was der Herr ihm diktiert, weshalb auch von Ikonenschreiberei gesprochen wird - eine Bezeichnung, die Christine Broß für sich übernommen hat.

Christine Broß hat eine neue Ausstellung in der Galerie im Tiermuseum. (Foto: Christian Endt)

Tief religiös wie sie ist, hat sie doch ein Zufall bereits vor 25 Jahren zur Beschäftigung mit der religiösen Darstellung gebracht: Während eines Meditationskurses im Kloster fiel ihr Blick unerwartet auf ein Bild der Gottesmutter mit Kind, ein Bild, das sie nicht mehr losließ, und mit dem sie, wie sie schreibt, in eine Art Zwiegespräch eintrat. "Der eigentümlichen Faszination", welche die Ikone auf sie ausübte, ist sie verfallen, bis heute. In einer speziellen Ausbildung lernte Broß den Umgang mit den natürlichen Pigmenten aus Erden, Steinen und Pflanzen - selbst die Verwendung der Farben ist festgelegt. Das Entstehen einer Ikone beschreibt die Malerin als Prozess höchster Konzentration, der in mehreren Schritten verlaufe. Das biete Raum zum Nachdenken und schenke ihr das Gefühl "nah am Ursprünglichen zu sein", nicht umsonst bezeichne man die Ikone gerne als "Fenster zur Ewigkeit."

Lässt man sich darauf ein, ihr auf diesem Weg zu folgen, kann man sie spüren, die Stille der Kontemplation, die innige Konversation, die religiöse Ehrfurcht angesichts der biblischen Szenen. Broß' Heilige, etwa der Erzengel Gabriel oder auch Johannes der Täufer, fordern Respekt ein, vielleicht sogar Unterwerfung. Sie gesteht ihnen eine spürbare Kraft zu, die aus jeder pinselgestrichenen, klaren Falte des Gewands, aus der Eindringlichkeit des großäugigen Blickes spricht - trotz des engen Gestaltungsrahmens, in dem sich die Darstellung bewegt.

Der Ikone des Heiligen Johannes stellt Broß eine individuelle Darstellung gegenüber, die sich in der Forstinninger Ausstellung als Triptychon über den Winkel zwischen zwei Wänden zieht, was dem eindrucksvollen Bild jene Tiefe und Perspektive verleiht, die das Original nicht haben darf. Das Gesicht des Täufers erscheint hier sehr machtvoll, bricht heraus aus den Farben Rot und Schwarz hinein ins Gold des Hintergrunds, das von Rot durchsetzt ist, und doch blendend hell leuchtet. Dieser Johannes erinnert in seiner robusten Gewaltigkeit mehr an Poseidon denn an einen Heiligen.

Wie gänzlich unterschiedlich sich Religiosität künstlerisch ausdrücken kann, zeigt die Ausstellung von Christine Broß. (Foto: Christian Endt)

Die Macht der ungezügelten Farben beschäftigt die Grafinger Malerin immer wieder aufs Neue. So konterkariert sie auch an anderer Stelle die strenge, klare Form, das Erwartbare, das in der Unveränderlichkeit der biblischen Erzählung Sicherheit Gebende - etwa der Gottesmutter unter dem Kreuz - mit dem Chaos der ungeordneten Existenz. Sie lässt die "Stürme der Zeit" auf die Klarheit der göttlichen Ordnung treffen, sie gelegentlich in ein und demselben Bild in Konkurrenz treten. Hin und wieder aber gibt Broß dem Chaos auch völlig nach, wie in "Die Geburt des Rot", wo sie sich mit großzügigem Auftrag in der elementaren Kraft der Grundfarbe verliert.

"Jona und der Wal": Ausstellung von Christine Broß in der Galerie im Tiermuseum, Forstinning, geöffnet freitags von 15 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr. Zu sehen bis Samstag, 14. April, die Finissage beginnt um 12 Uhr.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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