Naturschutz:Bedrohte Brut

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Der Radikalschnitt von Bäumen ist zwischen April und Juni laut Artenschutzgesetz nicht gestattet. (Foto: Privat)

Aktuell herrscht Haupt-Nistzeit, was bedeutet, dass Bäume und Hecken nur unter bestimmten Bedingungen geschnitten werden dürfen. Doch manche Gartenfirmen halten sich nicht an das Verbot.

Von Jessica Morof, Ebersberg

Für die Untere Naturschutzbehörde gibt es drei heiße Monate im Jahr - und das noch vor dem Sommerbeginn. Denn in den Monaten April, Mai und Juni liegt die Hauptbrutzeit von Vögeln, die sich dann in Hecken und Bäumen der Aufzucht ihrer Jungtiere widmen. Deshalb heißt es in dieser Zeit, "Finger weg vom Heckenschnitt", betont Max Finster. Doch nicht nur der stellvertretende Sachgebietsleiter im Landratsamt weiß, dass das Artenschutzgesetz die Sicherung der brütenden Vögel vorschreibt. Auch die Bürger des Landkreises sind sich der Gefahr durch den Heckenschnitt im Frühjahr bewusst.

"Bei uns gehen in dieser Zeit täglich etwa zwei bis drei Beschwerden von Bürgern ein", erläutert Finster. Beispielsweise der einer Naturliebhaberin aus Ebersberg, die Ende Mai einen Heckenschnitt am Bahnübergang in Ebersberg nahe des Augrunds beobachtet hat. Dort sei der Radikalschnitt einer etwa vier Meter hohen und 30 Meter langen Hecke zwischen Schrebergarten und Bahnlinie erfolgt. Das Gebüsch sei etwa um die Hälfte der Höhe gestutzt und zudem ein Baum gänzlich gefällt worden.

Den durchführenden Dienstleister habe die Dame direkt auf den Vogelschutz angesprochen. Seine Antwort: Die Brutzeit sei schon vorüber und die Hecke habe er auf brütende Tiere untersucht. Zusätzlich habe der Arbeiter sie beschimpft, am Oberarm gepackt und zur Seite geschoben, als sie Fotos vom Schnitt machte, gab die Ebersbergerin an.

Bei der Stadt erfuhr sie später, dass die Bahn den Heckenschnitt gefordert habe, da Gefahr in Verzug gewesen sei. Mit diesen Erfahrungen richtete sie eine Anfrage an die Untere Naturschutzbehörde. "Das Artenschutzgesetz ist sehr restriktiv, wenn es um den Schutz brütender Vögel geht", erläutert Finster. Sobald sich in Büschen und Bäumen Nester befinden, darf nicht gestutzt werden, da die Tiere sich gestört fühlen würden und Verletzungsgefahr bestehe.

Erlaubt ist das Stutzen und Zurückschneiden von Hecken in den heißen Monaten nur, wenn tatsächlich Gefahr im Verzug ist - etwa für den Straßen- oder Bahnverkehr. "Wenn aus nachvollziehbarem Grund geschnitten wird, müsste aber jemand dabei sein, der sich auskennt", fügt Finster hinzu. Und zwar, um sicherzugehen, dass kein Tier gefährdet ist. Dass dies bei der Hecke am Bahnübergang erfolgt ist, bezweifelt zumindest die Zeugin des Heckenschnitts. Denn das hätte mehrere Stunden in Anspruch nehmen müssen.

Die schrecklichen Bilder der Folgen von frühzeitigem oder unbedachtem Baumschnitt kennt Finster zu genüge. "Schrecklich" nennt er die Bilder von toten oder verletzten Vogeljungen mit blutenden Wunden oder abgeschnittenen Körperteilen. In den entsprechenden Monaten erreichen sie ihn leider immer wieder. Eigentlich wüssten alle Gärtner über den Artenschutz bescheid, sagt der Sachbearbeiter. Doch viele seien sich der Rechtslage wohl nicht bewusst, denn: Wird zwischen April und Ende Juni vorsätzlich geschnitten, kann es sich um eine Ordnungswidrigkeit oder sogar um eine Straftat handeln. Je nachdem, welche Folgen auftreten.

Auch für Privatpersonen gilt das Artenschutzgesetz und das Heckenschnittverbot in den drei Monaten. Gleichzeitig sind Garten- und Grundstücksbesitzer allerdings dazu verpflichtet, überwuchernde Grundstücksbepflanzung zurückzuschneiden. Das Ordnungsamt der Gemeinde Markt Schwaben beispielsweise rief die Bürger aktuell auf, den Lichtraum im Geh- und Radwegbereich freizuhalten. Dafür sei momentan eben Saison, da die Äste jetzt in vielen Fällen zu Hindernissen würden, heißt es auf Nachfrage. Doch es seien lediglich notwendige Schnitte gewünscht; keine größeren Eingriffe und erst recht keine Radikalschnitte. Das Ziel ist, Unfällen im Straßenverkehr vorzubeugen. Diese Einschränkungen beachtet die Gemeinde in ihrem Aufruf jedoch nicht.

Die größten Probleme hat die Untere Naturschutzbehörde aber ohnehin nicht mit Privatpersonen, sondern mit Firmen, die unter Zeitdruck stehen. "Die meisten Bürger sind mittlerweile sehr für den Artenschutz sensibilisiert", sagt Finster. Um mit den Unternehmen eine Lösung zu finden, möchte man sich bald mit den Verantwortlichen der Stadt Ebersberg austauschen.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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