Seminar:Olympia in Markt Schwaben

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Gruppenbild mit Waldi: Alena Bluhme (links) und Laura Carli holen sich Tipps von der Hostess bei den Olympischen Spielen von 1972, Gertrude Krombholz. (Foto: Christian Endt)

Eine Hostess der Spiele von 1972 berichtet am Franz-Marc-Gymnasium von ihren Erlebnissen. Die Schüler holen sich dabei Anregungen für ein Projektseminar

Von Annalena Ehrlicher, Markt Schwaben

Pünktlich zum Jahr 2016 ist das Olympia-Fieber wieder ausgebrochen, nicht in Hamburg, sondern in Markt Schwaben: Der Theatersaal des Franz-Marc-Gymnasiums ist geschmückt mit Bannern, auf denen die Olympischen Ringe zu sehen sind. An den Wänden des Saals lehnen knapp ein Dutzend Schautafeln, welche die Geschichte des legendären Sportereignisses darstellen. Einen Teil dieser Geschichte erlebte Gertrude Krombholz live mit: Die heute 82-Jährige erzählt im Theatersaal des Franz-Marc-Gymnasiums von ihrer Zeit als Chefhostess und Mitchoreografin für die Eröffnungs- und Schlussfeiern der Olympischen Spiele in den Jahren 1972, 1976 und 1980.

Anlass für Krombholz' Vortrag sind zwei Seminare für Schüler der Kursstufen, die sich um die Olympischen Spiele drehen. Im Projektseminar sollen die Schüler lernen, "eine Veranstaltung zu organisieren", erklärt Franziska Geiginger, die innerhalb des Projektseminars in der Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit ist. "Die Idee ist, dass man da selbst mal ein bisschen reinkommt", fügt sie hinzu. Im Projektseminar organisieren die Schüler ihre eigenen Olympischen Spiele am Franz-Marc-Gymnasium und kümmern sich dabei eigenständig um Faktoren wie Pressearbeit, Sponsoren und Sanitäter.

"In jeder Hinsicht perfekt" mussten bei den echten Spielen die jungen Frauen sein, die als Messehostessen engagiert wurden, erzählt Krombholz. Noch heute ist sie sichtlich bewegt: "Wir waren damals doch mehr als begeistert, dass Deutschland wieder Gastgeber für dieses Großereignis sein konnte", so die promovierte Historikerin. "Man suchte damals Führungspersönlichkeiten für diese anspruchsvolle Aufgabe", erinnert sie sich. Lehrerinnen, Sportstudentinnen - präferiert mehrsprachige, attraktive, höfliche und belastbare junge Frauen mit Erfahrung im Sport, so beschreibt sie die Auswahlkriterien. Die schiere Menge von Hostessen verblüfft: 25 Gruppen-Chefhostessen, zu denen übrigens Königin Silvia von Schweden zählte, 120 Chefhostessen und 1500 Hostessen kümmerten sich bei den Sommerspielen 1972 um 7134 Athleten.

Krombholz selbst war als Chefhostess für die Schwimmhalle eingeteilt. Sie selbst sagt dazu noch heute schwärmend: "Ich bin gottfroh, dass ich die Schwimmhalle hatte - Mark Spitz' sieben Goldmedaillen, das war das Highlight!" Die ehemalige Leiterin der Sportstudentinnen-Ausbildung an der damaligen Bayerischen Sportakademie erstaunt durch ihr phänomenales Gedächtnis: Ohne einen Notizzettel spricht sie eineinhalb Stunden lang von den Sommerspielen, rattert Namen, Disziplinen und Erfolge von Sportlern herunter und beschreibt Abläufe.

"Die Hostessen hatten einen äußerst straffen Zeitplan", berichtet sie. Morgens seien sie abgeholt und in die Maske gebracht worden, wo den jungen Frauen sorgfältige Dirndlfrisuren gemacht wurden. Auf Fotos zeigt sie die schlichten blau-weißen Dirndl sowie die Festtagsdirndl für die Siegerehrungen. Die Siegerehrungs-Hostessen waren es dann auch, die "mein Leben in dieser Zeit bestimmen sollten", fügt sie hinzu. Für weniger große Sportler durften nicht die "Garde-Hostessen", wie sie sagt, die Medaillen übergeben - auch darauf musste geachtet werden. "Außerdem mussten sie natürlich schreiten können", erklärt sie und demonstriert, was sie meint. Fragen wie "Wer betreut die DDR?" gehörten zu den sensiblen Überlegungen, mit denen sie sich auseinandersetzen musste. "Die Wahl fiel schließlich auf zwei waschechte Münchnerinnen, die die Aufgabe ausgezeichnet gelöst haben", erinnert sie sich.

Auf die Frage der Schüler, wie ihr Arbeitstag aussah, zeigte sie eine Fotografie von einem kleinen Raum mit behängten Wänden: "Das war die Einsatzzentrale, von der aus wir viel organisiert haben", sagt sie. "Im Grunde gab es zwei Spiele", fügt sie hinzu. Dabei bezieht sie sich auf den Anschlag vom 5. September 1972. "Zuerst die wahnsinnige Heiterkeit, die Gastfreundschaft und Begeisterung - dann der Schock und die Trauer", so die 82-Jährige. Die unzureichende Informationslage habe sie damals sehr belastet, dennoch sei sie froh gewesen, dass die Spiele weitergeführt wurden.

Die politische Dimension des Anschlags steht jedoch keineswegs im Vordergrund ihres Vortrags. Die Begeisterung für den Sport, die Freude an den Abläufen und ihre Leidenschaft für die Spiele an sich bilden das Zentrum von Krombholz' Präsentation. "Die Chance, das so zu hören, bekommt man ja nicht so oft", sagt Franziska Geiginger anschließend, "deshalb war es für mich sehr interessant." Besonders überrascht war sie davon, "was für ein Aufwand das war". Ob sie für ihre eigenen Spiele schon Messehostessen gefunden haben? "Bisher nicht, aber das ist eine gute Idee."

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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