Markt Schwaben:Misshandlungen im Seniorenheim

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Im Bad eingesperrt: Eine frühere Mitarbeiterin erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Einrichtung in Markt Schwaben.

Karin Kampwerth

Die Schilderungen sind erschütternd: Im Markt Schwabener Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) sollen Pflegerinnen alte, hilflose Menschen schikaniert und misshandelt haben. Eine demente Bewohnerin sei in ihrem Rollstuhl ins Bad eingesperrt worden. Dabei habe sie einen Asthmaanfall erlitten, wenige Tage später sei sie in einem Krankenhaus gestorben. Auch tägliche Demütigungen wie Essen auf dem Toilettenstuhl oder das Wechseln von Windeln auf dem Gang müssten Bewohner über sich ergehen lassen. Die Vorwürfe erhebt eine ehemalige Pflegerin, die sich Ende Oktober an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gewandt hat.

Eine Mitarbeiterin eines Seniorenheims in Markt Schwarben erhebt schwere Vorwürfe gegen die Einrichtung. (Foto: ddp)

Das bestätigt der dortige Referent für externe Berichterstattung, Winfried Fischer. Ein MDK-Team habe umgehend die Einrichtung am Trappentreuweg aufgesucht, das Ergebnis des Berichtes liege jedoch erst in der kommenden Woche vor. In Teilen räumt Heimleiter Rüdiger Schäfer die Vorwürfe ein. "Ich bin recht fertig", sagte er am Freitag zur Süddeutschen Zeitung. Mitarbeiter, Bewohner und Angehörige seien stark verunsichert, er selber fassungslos von den Vorfällen, die sich nach seinen Erkenntnissen tatsächlich so ereignet haben. Freiheitseinschränkungen von Bewohnern dementiert Schäfer aber.

Dass es in dem Heim, das der Awo-Bezirksverband betreibt, Missstände gibt, bestätigen Markt Schwabener, die in der Einrichtung ein- und ausgehen. Inge Daschner besucht seit zweieinhalb Jahren jeden Nachmittag ihren pflegebedürftigen 80-jährigen Ehemann. "Was ich dort von Anfang an erlebt habe, ist deprimierend", sagt sie. "Leuten, die nicht gut schlucken können, werden beim Füttern riesige Löffel rein gezwängt", erzählt die Rentnerin, die dem Personal abends und an Wochenenden zur Hand geht.

Auch im Pflegealltag erlebe sie immer wieder schlimme Situationen. Einmal habe sie eine Bewohnerin mittags auf ihr Zimmer begleitet. Dort habe noch der Toilettenstuhl vom Morgen gestanden. Ungeleert, obgleich die bettlägerige Mitbewohnerin im Zimmer war. "Der Gestank war bestialisch." Einer anderen Dame hat Inge Daschner geholfen, nachdem diese verzweifelt immer wieder darum gebeten hatte, auf die Toilette gebracht zu werden. "Keiner hat sich gekümmert", erinnert sich die Markt Schwabenerin.

In ihr Gedächtnis eingebrannt haben sich auch die letzten Stunden eines Bewohners, den Pfleger nach ihrer Schilderung beinahe gewaltsam dazu bringen wollten, einen Pudding zu essen. "Ich habe gefragt, warum der Mann so gequält wird", erzählt die Augenzeugin. Man habe doch gesehen, dass er "einfach nicht mehr konnte". Fünf Stunden später sei der Mann gestorben.

Auch Hildegard Trost ist tief betroffen von den Vorgängen im Awo-Seniorenheim. Für die katholische Kirche teilt sie den Bettlägerigen dort die Kommunion aus und hält Bibelstunden ab. Sie ist überzeugt, dass die Misshandlungen auf eine einzige Pflegekraft zurückzuführen sind. "Ich kann mir vorstellen, welche Schwester das war", sagt Hildegard Trost. Aber auch grundsätzliche Missstände bestätigt die ehrenamtliche Kirchenmitarbeiterin. "Es gibt zu wenig Personal."

So komme es vor, dass Schwerkranke lange auf Hilfe warten müssten, nachdem sie geläutet haben. "Ich war erst am Dienstag von 15 bis 18 Uhr auf der Pflegestation", erzählt Hildegard Trost. "In der ganzen Zeit sind mir nur zwei Schwestern begegnet."

© SZ vom 06.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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