Markt Schwaben:Erzwungener Neubeginn

Lesezeit: 2 min

Ein Auszug aus der Massenunterkunft kann Nachteile haben

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

John Anoago war von Anfang an dabei, der Nigerianer hat mehr als ein halbes Jahr in der Dreifachturnhalle Markt Schwaben gewohnt. Joachim Weikel, der Vorsitzende des Helferkreises Markt Schwaben, würde sagen, dass Anoago seine Zeit dort genutzt hat, um anzukommen. Mittlerweile sei Anoago Mitglied im Fußballverein, singe im Gospelverein und arbeite in einem Markt Schwabener Wirtshaus. "Er hat sich nicht nur in der Gemeinde aufgehalten", sagt Weikel, "er hat hier gewohnt und sich eingelebt". Seiner Ansicht nach ist der 30-Jährige, der eigentlich anders heißt, ein Beispiel für gelungene Integration. Jetzt muss Anoago jedoch wieder von vorne anfangen.

Am Mittwoch hat das Landratsamt den Nigerianer und 13 weitere Flüchtlinge aus der Markt Schwabener Notunterkunft nach Oberpframmern ins Rathaus gebracht, mittlerweile sind die Männer dort eingezogen. Wie im Landkreis Ebersberg werden gerade in ganz Bayern Notunterkünfte geleert, die Flüchtlinge auf die umliegenden Regionen verteilt. Die Wohnqualität wird für die umgezogenen Flüchtlinge deutlich höher sein als in den Turn- und Traglufthallen, das versicherte auch das Landratsamt Ebersberg. Bequemer als im einem Lager mit 300 Stockbetten dürfte es dort in jedem Fall werden.

Der Komfort bringt aber auch Nachteile mit sich. "Die Flüchtlinge jetzt aus ihrem Umfeld zu reißen, widerspricht jeglichen Prinzipien gelungener Integration", sagte Anja Zwittlinger-Fritz (CSU), Gemeinderätin in Markt Schwaben, nachdem Weikel den Fall Anoago am Dienstag in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgestellt hatte. "Unsere Integrationsbemühungen werden dadurch torpediert", sagt Weikel am Tag danach und nennt weiter Beispiele. Mehrere Fußballer, die in der ersten Mannschaft des VfB Forstinning zum Stammkader gehören würden, könne jetzt nicht mehr zum Training gehen. Und auch die Sprachkurse in Markt Schwaben seien jetzt nicht mehr erreichbar. Weikels Kritik richtet sich vor allem gegen das Landratsamt. "Es gab keinerlei Rücksprache mit uns", so Weikel.

Im Landratsamt ist man sich der Problematik bewusst. "Wir können aber nicht jeden Fall einzeln untersuchen", sagt Evelyn Schwaiger, Sprecherin des Landratsamts. In Härtefällen sei es möglich, sich mit den Helferkreisen abzusprechen und auszuloten, ob man einen gut integrierten Flüchtling in einer Gemeinde behalten könne. Schwaiger meint damit Beispiele, in denen Flüchtlinge ihren Job kündigen oder die Sprachschule abbrechen müssten. "Es kann aber nicht sein, dass jemand in der Turnhalle wohnen bleiben muss, nur weil er im Fußballverein spielt", sagt Schwaiger. Stattdessen empfiehlt das Landratsamt dann einen Vereinswechsel.

Die Landratsämter befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits sollen sie dem Bestreben des Freistaats nachkommen, die Übergangsunterkünfte in den Turnhallen aufzulösen und vor allem Langzeitbewohner von Turnhallen eine neue Wohnmöglichkeit bieten. Anderseits fühlen sich meist genau diese Flüchtlinge in ihrer Umgebung bereits heimisch. In Markt Schwaben ist dieses Problem bereits akut, in vielen andere Gemeinden und Regionen Bayerns steht das Problem ebenfalls bevor. Wie lässt sich das Dilemma also lösen?

Damit es gar nicht erst so weit kommt, dass es zu einer Form von Zwangsumzug kommt, hat eine Gemeinde im westlichen Landkreis Vorkehrungen getroffen. In Kirchseeon, wo erst Ende April umgezogen werden soll, ließ der Helferkreis dem Landratsamt vorab eine Liste mit Flüchtlingen zukommen, die nach Ansicht der Helfer bleiben sollten. Aus Markt Schwaben, so das Landratsamt, habe man kein vergleichbares Schreiben erhalten. Eine Garantie dafür, dass ein Flüchtling bleiben kann, sei eine triftige Begründung allerdings nicht. "Es muss auch Wohnraum in der Gemeinde da sein", sagt Schwaiger. "Wir können niemanden auf die Straße setzen." Der Umzug von Anoagos Gruppe nach Oberpframmern sei letztlich unproblematisch verlaufen

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: