Flüchtlinge in Markt Schwaben:Minderjähriger allein im Containerdorf

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Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling lebt monatelang ohne Betreuer in einer Sammelunterkunft statt in einer Jugendhilfeeinrichtung. Dies ist offenbar kein Einzelfall.

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

Ein Minderjähriger hat mehr als drei Monaten ohne gesetzlichen Betreuer in dem Containerdorf am Erlberg in Markt Schwaben gelebt. Erst auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung hat das Landratsamt Ebersberg am Montag veranlasst, dass das Alter des Asylbewerbers geschätzt wird. Die Untersuchung fand am Dienstag statt. Ergebnis: Er ist jünger als die 18 Jahre, die in seinem Aufnahmeschein, dem White Paper, vermerkt waren. Der junge Mann, der angibt, 16 Jahre alt zu sein, wurde laut Aktivkreis Flüchtlinge umgehend in eine Jugend-WG verlegt.

Im Landkreis ist das anscheinend kein Einzelfall, wie Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin des Landratsamts Ebersberg, bestätigt: Immer wieder komme es vor, dass einzelne Flüchtlinge nach ihrer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft angeben, minderjährig zu sein. Auch in Kirchseeon soll es laut dem dortigen Helferkreis einen unter 18-Jährigen geben, der in der Turnhalle des Gymnasiums untergebracht ist.

Für minderjährige Flüchtlinge gelten andere Regelungen

Geht ein derartiger Hinweis beim Landratsamt ein, versuche das Jugendamt, das Alter festzustellen. Für minderjährige Flüchtlinge ist es wichtig, auch als solche anerkannt zu werden: Dann erst erhalten sie einen persönlichen Vormund, leben in Jugendhilfeeinrichtungen anstatt in Massenunterkünften und sind in der Regel in Deutschland geduldet, bis sie volljährig sind. Unter 16-Jährige dürfen außerdem in die Schule gehen.

Zu dem fehlerhaften Geburtsdatum auf dem White Paper des jungen Afghanen aus Markt Schwaben ist es offenbar bei der Registrierung in der Bayernkaserne in München gekommen. Laut Regierung von Oberbayern hatte er keinen Pass dabei, gab aber gegenüber der Polizei an, volljährig zu sein. Ob er sein Alter bewusst falsch gesagt hat oder ein Missverständnis vorlag - der Markt Schwabener Aktivkreis vermutet, dass der Junge Analphabet ist -, ist offen. Die Angaben jedenfalls wurden in die offiziellen Papiere übernommen. Denen zufolge soll der Afghane erst Tage vor der Verteilung nach Markt Schwaben 18 Jahre geworden sein. Dabei wisse der Junge offenbar gar nicht genau, wann er geboren wurde, sagt Joachim Weikel vom Aktivkreis in Markt Schwaben.

Drei Monate lang hat sich in der Sache nichts getan

Er und seine Mitstreiter hatten schon bald nach der Ankunft der Asylbewerber im September dem Landratsamt geschrieben, dass sich ein Minderjähriger unter den Flüchtlingen befindet. Doch warum passierte drei Monate lang nichts? Das Landratsamt habe den Helferkreis auf dessen Meldung hin gebeten, einen Termin mit dem Jugendamt zu vereinbaren, das für die unter 18-jährigen Flüchtlinge zuständig ist, teilt Schwaiger mit. Das sei jedoch nicht erfolgt.

Bei dem Termin am Dienstag stellte dann das Jugendamt schnell fest, dass der Jugendliche noch nicht volljährig ist. Er wird nun zur bundesweiten Verteilung angemeldet und wohl in ein anderes Bundesland verlegt. Denn Bayern hat seine Quote an minderjährigen Flüchtlingen derzeit übererfüllt.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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