Live-Musik und Live-Malerei:Zwischen Tag und Nacht

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Live-Musik und Live-Malerei beim Benefizabend in Zinneberg. Zu den Klängen des Max-Neissendorfer-Trios bearbeitet Franz Fusseder seine Leinwand. (Foto: Christian Endt)

Experimentelle Momente beim Jazzkonzert Zinneberg

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

Der Jazz ist ein Kind der Nacht. Wenn es schon keine verrauchten Keller mehr gibt, in deren verwinkelter Architektur sich der Schall reibt und deren Plüschsessel selbst die schärfsten Akkorde melancholisch dämpfen, dann sollte wenigstens das Sonnenlicht den Tönen fernbleiben. Das lichte Treppenhaus-Atrium in Zinneberg, des unsicheren Wetters am Samstagabend wegen Ausweichquartier fürs Konzert des Max-Neissendorfer-Trios, kommt weder dem Stil noch den Klängen entgegen.

Das gepflegt wuchernde Grün der Außenanlagen, die vor den großen Fenstern als Kulisse vor sich hinschweigen, will lange Zeit so gar nicht zu den avantgardistischen Schrägheiten passen, die im Inneren erklingen; es ist aber auch kein wirklicher Kontrast. Das Klangbild wiederum prallt ab an den kühlen Mauern des Zweckbaus, findet keinen Widerhall an den steinernen Böden und Treppen. Ob man ein überwiegend von Höhen geprägtes Konzert mitbekam, oder eines, das vom Schlagzeug dominiert war, oder doch eines, in dem der Saitengesang des Basses sich entfalten durfte - das hing doch sehr von der Wahl des Sitzplatzes ab. Diese Mesalliance prägt den Abend, unglückliche Umstände des Ortes, die verhindern, dass sich, vielleicht, zu einem Erlebnis gewandelt hätte, was so nur ein Ereignis blieb.

Dabei wäre ein Erlebnis drin gewesen. "Scat Max" ist längst ein Markenzeichen. Der Jazzmusiker Max Neissendorfer hat diese wilde Lautmalerei mit Silben im Lauf der Jahre in einer Art und Weise perfektioniert, dass der Besuch seiner Konzerte einem Live-Lehrbuch gleicht. Gerade weil der Bandleader die Improvisationssoli fair mit dem glänzenden aufgelegten Litschie Hrdlicka am Bass und dem geradlinig rhythmisierenden Stephan Treutter am Schlagzeug teilt, drängt sich sein prägnanter Scat-Gesang umso deutlicher in den Vordergrund - das ist, daran lässt "Scat Max" keinen Zweifel, das Charakteristikum seiner Musik. Damit transponiert er einen Duke Ellington oder einen George Gershwin in die Rolle des Ideengebers und reizt die Erwartungshaltung des Publikums: Was macht er aus der Vorlage? Genauso zweifellos polarisiert er mit dem hochdosierten Scat auch, denn es trifft nicht jedermanns Gusto, wenn dieses Stilmittel wie ein roter Faden ein ganzes Konzert fesselt, statt gelegentlich das Spektrum des Klangbilds zu erweitern oder mit einem Blitzer zu versehen.

Beim Benefizkonzert des Trios für den Förderverein Schloss Zinneberg fiel das umso mehr ins Gewicht, als das Ruhelose, das Hastende des Scattens auf eigenartige Weise nicht zusammenfinden wollte mit dem Action-Painting von Franz Fusseder. Der, so hatten die Gastgeber angekündigt, wollte live zur Musik Aquarelle auf die Leinwand bringen. Was auch geschah - aber in einem eigenen Tempo, in eigener Intensität, erkennbar aus dem Inneren des Künstlers kommend. So waren er und die Musiker während weiter Teile des Konzerts zwar in einem Raum, aber in getrennten Welten zugange. Nur manchmal blitzten Impulse auf, vor allem bei "I've got rhythm", die von den Stimmen, Saiten und Schlagzeugfellen des Trios in die Hand des Künstlers fuhren und die Töne zu Farben, die Farben zu einem Bild werden ließen. Als die musikgeborene Action funktionierte, schuf Fusseder eine fulminante Impression von berührender Tiefe; sonst wurde das aufmerksame Publikum lediglich Zeuge davon, wie während einer Musik ein thematisch nahestehendes Bild entstand, etwa zum Standard "Caravan" eine fatamorganeske Oase.

Das Publikum folgte dem Geschehen kundig und aufmerksam. Es honorierte das musikalische Können und die improvisatorische Eleganz der Soli, allen voran Hrdlickas, der mit fingerfertiger Leichtigkeit seinem Bass schwebende Töne entlockte. Es freute sich, fast kindlich und zeitweise erheitert, über die Farbspritzer, die Fusseggers Action-Painting nicht nur auf der Leinwand, sondern auch auf dem Fußboden, ja sogar auf der kühlen weißen Wand hinterließen. Es ließ sich, mit hereinbrechender Dunkelheit, dann doch noch hineinziehen in eine avantgardistische Klangwelt, die ihm erst fremd schien, irgendwann aber dann doch berührbar. Der Applaus jedenfalls war großzügig und ehrlich.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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