Lateinische Dokumente übersetzt:Historische Pioniere

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Kirchseeoner Gymnasiasten haben für ein Lateinseminar eine alte Urkunde zum Ende des Ebersberger Jesuitenklosters untersucht. Dabei mussten sie sich nicht nur mit unleslicher Schrift herumärgern.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Machtkämpfe und Intrigen, Feuersbrünste und Unruhen. Was nach den Zutaten für einen spannenden Roman oder Film klingt, sind reale Ereignisse, die sich vor mehr als 200 Jahren in Ebersberg zugetragen haben. Diese zu rekonstruieren, haben sich ein Jahr lang Kirchseeoner Gymnasiasten bei ihrem Praxis-Seminar Latein zur Aufgabe gemacht. Dazu analysierten sie eine - natürlich auf Latein verfasste - Urkunde. Nun haben sie das Ergebnis ihrer Arbeit vorgestellt.

Der Ort dafür, der neue Hermann-Beham-Saal im Landratsamt Ebersberg, war in doppelter Hinsicht gut gewählt. Zum einen, weil in einen kleineren Saal die vielen interessierten Besucher kaum hineingepasst hätten. Aber auch, weil der Namensgeber des Saals, Alt-Landrat Beham, immer ein großer Freund der Geschichte war. Auf seine Initiative geht etwa die Kreisdokumentationsstelle zurück, das Archiv des Landkreises. Genau dort begann die Arbeit der Schüler des Lateinseminars , denn hier werden viele alte Urkunden verwahrt, unter anderem eine, die von dramatischen Ereignissen am Ende des 18. Jahrhunderts kündet: der Auflösung und dem Brand des Jesuitenklosters zu Ebersberg.

Wie es gelang, dem alten Schriftstück seine Geheimnisse zu entlocken und mit welchen Schwierigkeiten es verbunden war, schilderten die Seminarteilnehmer. Etwa, dass "der Verfasser auf Schönschrift eindeutig nicht geachtet hatte", wie Eva Filser erklärt. Auch der Zustand der Urkunde ließ teilweise zu wünschen übrig, sagte Sophie Schnieders.

Mit der Transkription in lesbare Schrift war es noch lange nicht getan, denn "der Verfasser hatte das edle Latein der Antike entweder nie gelernt oder beschlossen, dagegen zu rebellieren", erzählt Leonhard Baumgartner. Zudem benutzte der Schreiber eine Vielzahl von Abkürzungen. Bereits die ersten Worte der Urkunde zeigen das. Überschrieben ist sie mit "Not. Vae", ersteres ist die Abkürzung von "Notitia", letzteres eine Klage, ähnlich wie "Oh weh". Eine Schreckensnachricht ist es folglich, die geschildert wird.

Im Fokus der Forschungen der zwölf Schüler: die Urkunde über das Ende des Ebersberger Klosters. (Foto: privat)

Der Schrecken begann am 31. August des Jahres 1773 und ist Folge großer Politik. Kurz zuvor hatte Papst Clemens XIV den Jesuitenorden verboten, nun traf die kurfürstliche Kommission in Ebersberg ein, um das dortige Jesuitenkloster abzuwickeln. Davon berichtet die erste der untersuchten Urkunden. "Alterum vae", also weiteren Schrecken, schildert die nächste: den verheerenden Brand und die Plünderungen des Klosters im Mai 1781 sowie den Einsturz der Kirche, der zwei Todesopfer forderte. Die dritte und vierte Schreckensnachricht betrifft das endgültige Ende des Jesuitenklosters, das am 22. September 1781 an die Malteser überging, sowie die Entlassung des langjährigen Vikars.

Trotz einiger Schwierigkeiten habe die Arbeit viel Spaß gemacht, sagte Frederika Kaspers, "wir kamen uns manchmal vor wie in einem Krimi". Für Eva Filser bestand der besondere Reiz darin, "wie Pioniere sich eine Quelle selbst zu erschließen". Was die Seminarteilnehmer auch hervorragend geschafft hätten, lobte ihr Lehrer und Seminarleiter Tobias Scheller: "Das war eine Arbeit für ausgewachsene Historiker - und wäre ohne Latein nicht möglich gewesen."

Auch Landrat Robert Niedergesäß zeigte sich beeindruckt: "Das ist eine große Leistung, auf die wir auch als Landkreis stolz sind." Vielleicht, so Niedergesäß, werde das Projekt als Vorbild für andere dienen, "wir haben noch genügend Urkunden im Archiv". Und künftig auch ein 23 Seiten dickes Heft: das Ergebnis des P-Seminars der Kirchseeoner Gymnasiasten zu den vier Schreckensnachrichten von Ebersberg.

Die Teilnehmer: Leonhard Baumgartner, Maximilian Bernhard, Robert Brandt, Simon Brunner, Maximilian Döhrel, Jula Engehausen, Eva Filser, Thomas Hölzl, Frederika Kaspers, Marius Körlin, Alexander Ostner, Sophie Schnieders

© SZ vom 10.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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