Konzertkritik:Spielfreude im Quartett

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Junge Symphonikerinnen musizieren in Ebersberger Kirche

Von Peter Kees, Ebersberg

Claude Debussy hat um 1900 zwölf kurze Stücke für zwei Flöten, zwei Harfen und Celesta zu den "Chansons de Bilitis" von Pierre Louÿs komponiert, Gedichte, die der belgische Lyriker angeblich aus dem Altgriechischen ins Französische übersetzt haben will. Es geht um junge Mädchen, die die Erotik ihrer Körper entdecken, um friedliche Hirtinnen und Kurtisanen der Antike. In Wirklichkeit hat Louÿs diese Chansons allerdings selbst verfasst, dem klassischen Altertum lediglich nachgeahmt, wollte er doch die antike Hirtendichtung wiederbeleben. 1914 greift Debussy nochmals auf diese Komposition zurück, schafft aus sechs dieser Miniaturen ein Werk für Klavier zu vier Händen, "Six Epigraphes antiques". Auch eine zweihändige Fassung des Zyklus fertigt er an. In der Ebersberger Heilig-Geist-Kirche war diese Schauspielmusik nun in einer Bearbeitung für Flöte, Violine, Viola und Violoncello zu hören, zurechtgelegt von Bernard Chapron, einem Pariser Flötisten.

Die Musik ist voller berauschender Atmosphären und Klangfarben, lässt Pan erscheinen und spiegelt Naturimpressionen wieder. Es ist ein Paradestück für die Flöte. Und die hatte in Ebersberg durch das Spiel von Julia Maier eine wahrlich warme Strahlkraft. Maier ist wie ihre Mitspielerinnen - Anna-Theresa Sehmer (Violine), Katharina Schmid (Viola) und Duygu Kaynar (Violoncello) - Teil der Münchner Symphoniker. Doch den vier Damen ist es ein Anliegen, über den Orchesterdienst hinaus gemeinsam Kammermusik zu betreiben. Und so standen denn Quartette und Trios auf dem Programm.

Der Abend begann mit einem Klassiker: dem Quartett in C-Dur KV Anh. 171 (285 b) für Flöte, Violine, Viola und Violoncello von Wolfgang Amadeus Mozart. Frisch, spritzig und leicht legten die vier Musikerinnen los. Doch was ihnen bei den "Six Epigraphes antiques" von Debussy gelang, Atmosphäre zu zaubern, musikalische Ausdruckskraft zu entwickeln, war hier etwas missglückt, fehlten doch Ruhe und große Bögen. Zwar spielte die Geigerin tonschön, aber mit intonatorischen Schwächen. Ob im Kopfsatz oder dem Andantino mit seinen sechs Variationen, man hätte gerne frecher sein dürfen, schärfer, die Dramaturgie noch etwas deutlicher herausarbeiten können. Ähnlich im folgenden Trio von Joseph Haydn, seinem "Londoner Trio" Nr.1 in C-Dur - original ist dieses Werk übrigens für zwei Traversflöten und Violoncello komponiert, wird aber öfter, wie hier in Ebersberg, in der Besetzung Flöte, Violine und Violoncello aufgeführt. Auch hier wäre deutlichere Artikulation gut gewesen. Das Siciliano, der zweite Satz, hätte durchaus einen etwas stärkeren wiegenden Charakter vertragen und der Finalsatz noch kerniger, witziger und zupackender sein können. Freilich ist die Komposition eher Liebhaberliteratur, mit besonders anspruchsvollen Raffinessen ist sie nicht versehen. Haydn hat sie während seines zweiten Londoner Aufenthaltes 1794 schließlich für aristokratische Musikliebhaber geschrieben, deren instrumentales Können wohl deutliche Grenzen hatte. Schade auch, dass den drei Streicherinnen beim Trio in B-Dur D581 von Franz Schubert offensichtlich eine interpretatorische Idee fehlte. Zu zaghaft und unentschlossen wurde musiziert, zu wenig Leidenschaft in die Partitur gelegt. Es fehlten Linien, Bögen, Atem, wirklich abwechslungsreiche Farben.

Gleichwohl waren hier drei Musikerinnen am Werk, deren Spielfreude nicht unterschätzt werden darf. Auffallend an diesem Abend war vor allem die Flötistin. Ihr klarer, warmer Ton, ihre musikalische Gestaltungskraft ließen aufhorchen. Beim Abschlusswerk, den "Six Epigraphes antiques" von Debussy, waren die vier jedenfalls plötzlich beieinander und erzeugten ein ganz wundervolles Hörerlebnis. Ohnehin war es schön, dieses Werk einmal im Konzert zu hören, denn all zu oft wird es nicht gespielt.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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