Kommentar:Jetzt wird es peinlich

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Das schlimmste Chaos in Grafing ist vorbei, die Bahn fährt wieder. Während sich die Bürgermeisterin sieben Wochen lang in Gelassenheit übte, leistete sich die Opposition einen Fauxpas

Von Thorsten Rienth

Als sich der Grafinger Stadtrat vor drei Jahren zu seiner konstituierenden Sitzung traf, hatte Josef Wieser (Freie Wähler), der neue Dritte Bürgermeister und dienstälteste Stadtrat, einen dicken Blumenstrauß dabei. Den übergab er der neuen Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) und sagte: 25 verschiedene Blumen seien das, so verschieden wie jeder in der neuen Runde. Aber zusammen würden sie doch ein schönes Bild abgeben - auf dass es im Stadtrat auch so kommen werde. Da nickten sie, ja, die Parteipolitik würden sie von nun an beiseitelassen und Politik machen für ihre Stadt.

Am Anfang klappte das. Sie schlossen einen passablen Kompromiss zum Einheimischenbauland, überplanten das alte Baywa-Gelände und trieben das Neubaugebiet Aiblinger Anger voran. Die personalpolitischen Knackpunkte wurden durch Besetzung der beiden neuen Wirtschaftsförderer- und Klimaschutzmanagerstellen erledigt. Alles überparteiliche Beschlüsse, weil kein Lager alleine im Stadtrat die Mehrheit stellt.

Mittlerweile ist diese Art der Zusammenarbeit leider Geschichte. Denn die CSU-Fraktion, die es noch immer wurmt, nicht mehr den Grafinger Bürgermeister zu stellen, betreibt inzwischen einen Sport damit, Obermayr reflexartig für alles nur irgendwie Mögliche verantwortlich zu machen. Wolle man bei den Kommunalwahlen 2020 das Rathaus zurückgewinnen, so lautet dem Anschein nach die Losung, braucht Obermayr das Image einer schwachen Rathauschefin.

Das Chaos um die Bahnübergänge kam dem Grafinger CSU-Kreisvorsitzenden Thomas Huber deshalb gerade recht. Hätte doch das Rathaus nur anständig seine Arbeit gemacht, klagte er - gemeint war das Rathaus als der Verantwortungsbereich der Bürgermeisterin. Nicht nur scherte es Huber wenig, dass es im Zuständigkeitsorganigramm von Bahn, Straßenbauamt, Landratsamt und Rathaus selten einen alleinigen Schuldigen gibt. Weil Huber auf parteipolitische Attacke schaltete, wird es nun aber auch noch richtig peinlich: Ausgerechnet in jener Woche, in der Grafing von den gesperrten Fußgängerwegen in Kenntnis gesetzt wurde, führte der zweite Bürgermeister Josef Rothmoser im Rathaus die Geschäfte: Hubers Parteikollege also.

Dass die Angelegenheit im Grafinger Stadtrat nicht eskalierte, obwohl Rothmoser und drei namhafte CSU-Stadträte ihrem Kreisvorsitzenden eine Solidaritätsadresse nachschoben, ist dagegen tatsächlich Obermayrs Verantwortung. Anstatt die CSU dem Verweis auf Rothmosers Ferienvertretung ins Messer laufen zu lassen, ertrug sie stoisch die Schelte. Weil Parteienstreit niemandem nutze.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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