Kommentar:Fragwürdige Einstellung

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Es wirft ein seltsames Licht auf den Gewerbeverband, wenn er nichts dabei findet, dass sich seine Vize-Vorsitzende auf einen Posten bewirbt, über den sie als Stadträtin mitentscheidet

Von Thorsten Rienth

Die Wogen im Grafinger Politbusiness, ausgelöst von einer Pressemitteilung des Gewerbeverbands und einem Offenen Brief der Verbandsvizevorsitzenden Gabriela Wischeropp, waren hoch. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) stelle Grafing als attraktiven Wirtschaftsstandort aufs Spiel, hatte es in der Mitteilung geheißen. Wobei sich die Kritik an einem Detail entzündet hatte: Obermayr hatte sich dafür ausgesprochen, die Stelle eines Wirtschaftsförderers im Rathaus anzusiedeln, was der Gewerbeverband "als Vermischung von Verwaltungsarbeit und Wirtschaftsförderung" sah, die "letztlich ineffizient" sei. Unpraktisch war der Vorschlag jedenfalls für den Verband, der favorisierte seine eigene Vize-Vorsitzende für den Posten. Die betreibt in Grafing eine Kommunikationsagentur, käme daher zwar durchaus in Frage, allerdings nur als Externe, nicht als Angestellte des Rathauses.

Es gibt also guten Grund zu der Annahme, das der Gewerbeverband vor allem deshalb so gereizt reagierte, weil Wischeropp mit der Entscheidung aus dem Rennen gewesen wäre. In der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises Wirtschaftsförderung schoss Gewerbeverbandskassenprüfer Manfred Koch kräftig weiter. Er könne nichts Ehrenrühriges daran erkennen, dass sich seine Kollegin auf eine etwaige Stelle beworben hätte, sagte er. Daran ist tatsächlich nichts auszusetzen. Wohl aber dann, wenn eine Gewerbeverbandsfunktionärin eine öffentliche Ausschreibung mitformuliert und als Stadträtin über eine Besetzung mitentscheidet - um sich später selbst darauf zu bewerben. Hier keinen Interessenskonflikt zu sehen, sagt viel über die Geisteshaltung der Verbandsspitze aus.

Was nach allerlei Vorwürfen und Schuldzuweisungen als Ergebnis der Arbeitskreissitzung stehen blieb: Die Bürgermeisterin hatte die Antwortfrist auf eine Ankündigung vom 28. Juni verstreichen lassen, "innerhalb der nächsten zwei Wochen eine konkrete Entscheidung bezüglich der Fachkraft sowie dem weiteren Vorgehen zu treffen". Obermayr hatte erst nach den Sommerferien geantwortet und mitgeteilt, sie würde eine kombinierte Stelle aus Wirtschaftsförderer und Klimaschutzmanager bevorzugen. Welch eine Lappalie! Eine Haltung, die sie nun in der Sitzung noch einmal bekräftigte.

Wischeropp übrigens - der der professionelle Klimaschutzhintergrund fehlt - hat für die Stadtmarketingstelle, wie auch immer sie aussieht, am Dienstag abgesagt. Weil sie im Rathaus gegen Windmühlen kämpfen müsse, sagte sie. Welche das seien, wollte sie allerdings nicht konkretisieren.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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