Klassik:Con moto in kleiner Besetzung

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Mit Herzblut absolviert "Camerata Libera" den ersten Auftritt

Von Alexandra Leuthner, Glonn

Was der junge Franz Schubert wohl für Bilder im Kopf hatte, als er sich hinsetzte, um seine 5. Sinfonie in B-Dur zu schreiben, können wir nur erahnen. Es war der Herbst 1816, ein bisschen mehr als 200 Jahre ist das also her, und die europäische Welt war, ein Jahr nach dem Ende der napoleonischen Kriege, gerade dabei, sich wieder zu sammeln. Franz Schubert, damals 19, versuchte seit geraumer Zeit, seine Kompositionen bei Verlagen in Wien, seiner Heimatstadt, zu veröffentlichen, war aber bis dato damit gescheitert. Nun saß er, für mehrere Monate bei einem Freund untergekommen, über seinen Notenblättern, und schrieb und schrieb und schrieb.

Über die fünfte, seine kürzeste Sinfonie, urteilte ein früher Musikkritiker, sie sei nichts als "ein schwacher Abguss von Mozart." Anklänge, wohl beabsichtigte, an das Werk des österreichischen Wunderkinds, dessen Tod ein Vierteljahrhundert zurück lag, lassen sich vor allem im dritten Satz, dem Menuett molto allegro in B-Moll, von Schuberts Sinfonie erkennen. Doch, Mozart hin oder her, das Werk für kleine Besetzung mit Flöte, zwei Oboen, zwei Fagotten, zwei Hörnern und Streicher, ist in seinem harmonischen, sich durch die Sätze ziehenden ineinander Übergehen der Motive angenehm zu hören, ohne den Zuhörer mit komplizierten Harmonien oder stimmlichen Spitzfindigkeiten zu sehr zu fordern.

Und sie ist insofern genau das, was sich das erst im April gegründete kleine Kammerorchester Camerata Libera als Leitmotiv auf die Fahnen geschrieben hat: Freude bereiten, Freude am gemeinsamen Musizieren haben und die Zuhörer dabei nicht überfordern. Tatsächlich ist eine Sinfonie wie Schuberts Fünfte - bei aller Eingängigkeit - für ein Laienorchester, das sich nur alle 14 Tage zur Probe trifft, aber doch eine Herausforderung. Für das erste offizielle Konzert habe man daher die eine oder andere zusätzliche Übungseinheit eingelegt, erzählte Geiger Natsuki Miyakawa, der das Orchester leitet und auch als Dirigent auf der Bühne steht.

Zumindest konnte seine Truppe beim Auftritt am Sonntag vor den Bewohnern des Marienheims - das Endspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft im Confed-Cup hatte der Hoffnung auf mehr Zuschauer einen Strich durch die Rechnung gemacht - die von Schubert geforderten Instrumente stellen, wenn auch nicht in der vorgesehenen Stärke. Immerhin hatte Miyakawa für die Sinfonie nicht, wie etwa bei Edgar Elgars "Salut d'amour", zum Stift greifen und die Partitur umschreiben müssen. Doch ein bisschen mehr Stimmvolumen hätte Franz Schubert durchaus vertragen, vor allem, was die Streicher angeht. Man wünsche sich ja grundsätzlich ein paar mehr Streichinstrumente, erklärte Oboistin Martina Walter, "wir sind gut ausgestattet, haben alle Stimmen wie im großen Orchester, aber da sorgen dann jede Menge Geigen für den vollen Klang". Am Sonntag waren gerade mal vier Violinen geboten, dazu zwei Celli. Bratsche und Kontrabass fehlen der Musikertruppe bisher noch komplett. "Wer also sein Streichinstrument irgendwo eingemottet hat und schon lange mal wieder spielen wollte, der soll es jetzt heraus holen, er ist bei uns willkommen", sagte Walter.

Was aber nicht daran rührt, dass die Orchestermitglieder mit großer Musikalität und der gebotenen Ernsthaftigkeit zu Werke gehen, angeleitet von einem leidenschaftlichen Dirigenten. Miyakawa, der selbst erst vor kurzem zum ersten Mal seine Geige mit dem Dirigentenstab vertauscht hat, schafft es mit den Bildern, die er seinerseits im Kopf hat und in den Proben seinem Orchester Szene für Szene ausmalt, die Musiker mitzunehmen auf eine musikalische Reise. "Kopfkino", sagt er, "das ist ganz wichtig." Mit großem Einfühlungsvermögen gelang es ihm, die rhythmischen Wandlungen im tänzerischen Menuett ebenso zu steuern wie die breiten Walzerklänge von Johann Strauss' "An der schönen blauen Donau." Im Herbst tritt das Kammerorchester mit demselben Programm, zu dem noch ein Zwischenspiel aus Bizets "Carmen" gehört, noch einmal im Kloster Zinneberg auf. Und vielleicht haben sich bis dahin noch ein paar Geigen gefunden.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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