Kirchseeoner Tradition:Bei Holzmandl und Habergoaß

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Die Schrottgalerie Friedel in Glonn zeigt eine von den Perchten von Soj konzipierte Ausstellung

Rita Baedeker

Glonn Noch bis Sonntag werden Geister, Dämonen und das ganze Unterwelt-Gelichter Glonn meiden wie der Teufel das Weihwasser. Seit dort in der ehemaligen Scheune der Schrottgalerie eine Abordnung der Kirchseeoner Perchten von Soj eingezogen ist, haben die Mächte der Finsternis allen Grund, sich zu fürchten - vor Klaubauf, und Schnaderschlenzer, vor Holzmandln und Habergoaß. Ein wenig unheimlich sind ihnen vielleicht auch die aus Ofenrohr, Hobel, Kugellagern und anderen mysteriösen Schrott-Teilen gefertigten Objekte des Galeristen Sven Friedel, die zwar mit der Ausstellung und der Tradition der Perchten nichts zu tun haben, aber bei genauerem Hinsehen manch überraschende Parallele zu den schiefmauligen, glubschäugigen Fratzen aufweisen, bei deren Gestaltung Zapfen, Wurzeln und Äste ebenso Pate standen wie Drachen, Vögel und schaurige Sagengestalten. "Es war reiner Zufall", sagt Friedel, "aber es ist schon erstaunlich, welche Nähe entsteht, wenn man sich die Gesichter genauer anschaut."

Als wäre diese rustikale Scheune mit ihrem Gebälk für sie gemacht, so selbstverständlich erobern neben den Metallkerlen nun die Zwitterwesen der Rauhnächte Raum und Wände, kauern Schön- neben Schiachperchten in Kostümen aus Wollfäden, Filz, Leder und Fell, die Zottelmähnen aus echtem Rosshaar. "Manchen Besucher graust's", sagt Friedel; jedoch der dämonische Schein täuscht: Die Perchten tun nichts Böses, schützen Haus und Hof, bringen Glück und Segen, vertreiben die dunklen Mächte, locken den schlafenden Keim aus der Erde, spiegeln aber auch den niemals ganz ausgefochtenen Kampf zwischen Gut und Böse, denn Hell und Dunkel gehören untrennbar zusammen; deshalb besitzt Frau Percht zwei Gesichter, zwei Köpfe: einen schiachen und einen schönen. Dem Besucher der Ausstellung zeigt sie ihre schöne Seite, ihr mildes Gesicht ist umgeben vom Lichterkranz der Sonne. Damit auch Kinder sich nicht länger vor den Perchten fürchten, bietet die Galerie Klassen der 3. bis zur 6. Jahrgangsstufe der Grund- und Mittelschule Glonn Führungen an. Die letzte findet diesen Donnerstag statt. Bücher, ausführliche Texttafeln und Mini-Masken zum Sammeln bilden das pädagogische Rüstzeug.

Zu den zahlreichen Fragen, die Besucher stellen, gehöre, so Friedel, wie die Perchten aus ihren angestammten Alpentälern nach Kirchseeon, in einen für heidnischen Volksglauben nicht eben berühmten Münchner Vorort, gekommen sind. Schuld, so informiert der Prospekt, ist der Nonnenspinner - kein übler Dämon, sondern eine üble Raupe, die im 19. Jahrhundert große Teile des Forstes auffraß, weshalb man jede Menge Holz zu verarbeiten hatte. Und es waren wohl Holzarbeiter aus Tirol, die den Brauch mit ins Voralpenland brachten. Hans Reupold sen. hat in den 50er Jahren die Überlieferungen wieder zum Leben erweckt. Seither pflegen die "Perschten von Soj" liebevoll das importierte Erbe. Bis zu sechzig vermummte Gestalten ziehen jedes Jahr vom 1. Advent bis 6. Januar mit Fackeln, Glocken, Stöcken und Rasseln von Haus zu Haus.

Und spielen heute Dämonen, Finsternis und Kälte auch keine Rolle mehr - es gibt ja elektrisches Licht, Heizung und aufgeklärte Zeitgenossen - , so treten an die Stelle des wilden Heers Geister eines unorganischen Fortschritts in einer globalen Rauhnacht. So jedenfalls interpretiert Hans Reupold jun. die Rolle der Perchten heute. Mit einem Unterschied: Die heutigen Dämonen geben sich handzahm - und manchmal verführerisch.

Öffnung der Schrottgalerie Friedel am Sonntag, 18. Dezember, 11 bis 16 Uhr, Perchtenlauf am Glonner Marktplatz am Freitag, 16. Dezember, 19 Uhr.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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