Kirchseeon:Zum Hausbau in den Keller

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Anna Lisa Mc Clelland erprobt sich an der Arbeit mit Holz. (Foto: privat)

Im Berufsförderungswerk werden Bauzeichner praktisch ausgebildet

Der Baukeller des Berufsförderungswerks (BFW) München ist kein dunkles Verlies, sondern ein lichtdurchfluteter Raum mit großer Glasfront. Darin läuft gerade eine Mörtelmischmaschine auf Hochtouren. Ein muskulöser gelernter Gärtner schaufelt Sand in die Maschine und bringt seinen Kollegen Mörtel. Unter Anweisung eines Maurermeisters setzen angehende Bauzeichner Stein auf Stein. Es geht heiß her in der Bauhalle des BFW. Wieso geht man zum Bauen in den Keller? "Wir haben hier alles, was wir für einen reibungslosen Ablauf des Praktikums brauchen. Hier sind alle Anschlüsse und Leitungen, die benötigten Maschinen stehen bereit", beschreibt Ausbilderin Elisabeth Hofmann den idealen Bauplatz für das entstehende Haus im Keller.

In der beruflichen Rehabilitation in Kirchseeon gehen Theorie und Praxis Hand in Hand. Das Baupraktikum - ein Projekt für angehende Bauzeichner und Bauzeichnerinnen ist ein gutes Beispiel dafür. Das Baupraktikum gibt es, weil die Prüfungsordnung der Industrie- und Handelskammer vorsieht, dass jeder Prüfling für die Zulassung mehrere Baustellenbesuche und ein Baustellenpraktikum nachweisen muss. Für die Besuche ist für die Kirchseeoner Rehabilitanden im dreimonatigen externen Praktikum Zeit. Während der Baustellenpraktika muss in verschiedenen Bereichen wie Schreinern, Tiefbau und Trockenbau mitgelaufen werden.

Während das in der dualen Ausbildung mehrere Monate in Anspruch nimmt, dauert das interne Baupraktikum der angehenden Bauzeichner im BFW zwei Wochen. "Wir entwerfen und bauen ein "Minihaus" und versuchen dabei, alle Bereiche einzubringen", erklärt Ausbilderin Hofmann. Ein Maurer- und ein Zimmerermeister führen die einzelnen Arbeitsschritte vor und leiten an. "Statt nur mitzulaufen, dürfen unsere Auszubildenden selbst mit anpacken. Jeder macht so viel wie er kann." Das Projekt startete im November vergangenen Jahres mit der Handskizze. Die erste Aufgabe war der Entwurf eines "Minihauses" in Gruppenarbeit. Danach zeichnet jede Gruppe für ihr Minihaus-Projekt zunächst ein 2D-, dann ein 3D-Modell am PC. Gemeinsam mit ihren Ausbilderkollegen entscheidet Hofmann schlussendlich, welches Hausprojekt realisierbar ist und gebaut wird.

Anna Lisa Mc Clelland bearbeitet einen Sparren mit Stemmeisen und Klopfholz unter Anweisung des Zimmerermeisters. "Das Baupraktikum macht mir riesen Spaß", sagt die kleine Blondhaarige und strahlt. Sie hatte in einem Fahrgeschäft auf einem Jahrmarkt einen schweren Unfall erlitten. Erst nach drei Jahren war die 27-Jährige gesundheitlich wieder stabil genug, um eine Berufsfindung und Arbeitserprobung zu absolvieren. Diese sprach für eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. Sie entschied sich ganz bewusst für das BFW München - und zog dafür aus dem Schwarzwald ins gut 400 Kilometer von ihrer Familie entfernte Kirchseeon. "Als ich beim Info-Tag die Häuser in der Bauhalle sah, fand ich das supergeil. Ich wollte unbedingt hierher", erzählt Mc Clelland, die bis heute an den Unfallfolgen leidet: "Ich spreche regelmäßig mit dem psychologischen Dienst über meine Belastungsstörung und nutze das breite Angebot des BFW. Hier kann ich es schaffen."

© SZ vom 20.08.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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