Kirchseeon:Vier Religionen, ein Ziel

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Mit traditionellem Mantel und weißer Kopfbedeckung zitiert Imam Mehmed Altay von der türkischen Gemeinde Kirchseeon Verse aus dem Koran. (Foto: Christian Endt)

Christen, Buddhisten, Juden und Muslime treffen sich zum 15. Mal in der Kirchseeoner Johanneskirche zum interkonfessionellen Friedensgebet. Dabei setzen sie ein Zeichen für Freiheit und Toleranz.

Von Sandra Langmann, Kirchseeon

Halbmond, Davidstern und das heilige Kreuz stehen in einer Reihe nebeneinander und bilden das Wort "Coexist" auf der ersten Seite des Liederheftes. Schon dieses Blatt, das in der Johanneskirche in Kirchseeon ausgeteilt wird, ist ein Symbol für Religionsfreiheit, Toleranz und ein gemeinsames Miteinander. In diesem Zeichen steht das interkonfessionelle Friedensgebet, das am Mittwochabend am Buß- und Bettag sein 15. Jubiläum feierte.

Im Altarraum der Johanneskirche kommt das Glockengeläut, das draußen noch so laut erklang, langsam zur Ruhe. Allmählich wärmen sich die kalten Hände. Die Vertreter der großen Weltreligionen haben nebeneinander in der vordersten Bankreihe Platz genommen und verstummen, als die Pfarrerin für Kirchseeon und Hohenlinden, Gabriele Pace, das Wort ergreift. In verschiedenen Sprachen begrüßt sie die unterschiedlichen Kulturen und Religionen, die sich zum gemeinsamen Beten eingefunden haben.

Zur jetzigen Zeit sei es besonders notwendig, für den Frieden zu beten, sagt Pace und bittet den Initiator des Friedensgebets, Wilfried Seidelmann, nach vorne, der die Vertreter der großen Weltreligionen besser begrüßen könne. Er verweist zuerst auf den erstaunlichen Familiennamen der Pastorin, denn Pace bedeute Frieden. Im Namen Gottes werde Gewalt ausgeübt und gemordet. Gerade deswegen freue sich Seidelmann darüber, dass sich Christen, Buddhisten, Juden und Muslime in Kirchseeon zusammenfinden, um ein Zeichen für Frieden zu setzen.

Für das Jubiläum hat sich Seidelmann einen besonderen musikalischen Auftakt einfallen lassen und Ahmed Mounib vom Munich String and Percussion Orchestra in die Johanneskirche nach Kirchseeon eingeladen. Dessen geschickte Finger gleiten sanft, dann wieder schneller über die Saiten seiner Geige. Erstaunen und Freude machen sich in der Evangelischen Kirche breit. Danach singt die versammelte Gemeinde gemeinsam "Schalom chaverim, schalom". Auch der Kanon funktioniert ganz gut.

"Ihr habt Angst in der Welt, aber seid getrost."

Zum 15. Mal sind am Buß- und Bettag in der Kirchseeoner Johanneskirche Vertreter der großen Weltreligionen zusammengekommen, um interkonfessionell für den Frieden zu beten. (Foto: Christian Endt)

Als erster Vertreter tritt Ralph Deja vom Vorstand des Chaverin-Freundeskreises des liberalen Judentums München vor die Kirchengemeinschaft. Er erzählt anhand einer Geschichte von Abraham und Lot, wie friedlich Konflikte gelöst werden können. Abraham wurde für seine Bescheidenheit nach einer langen kinderlosen Ehe mit einem Sohn belohnt. Der buddhistische Meister Thum Lu ist seit Jahren fester Bestandteil des Friedensgebets.

Mit zwei jungen Männern verneigt er sich vor dem Altar, faltet die Hände in Kinnhöhe und stimmt mit geschlossenen Augen einen meditativen Gesang an. Das Trio betet nicht nur für die Menschen, sondern auch für alle Tiere und Pflanzen. Mit den Worten "Mögen alle Lebewesen glücklich sein" verneigt sich Thum Lu abermals und schließt das Gebet, ehe die erste Strophe von "Kum ba yah" ertönt.

Mit traditionellem Mantel und weißer Kopfbedeckung zitiert Imam Mehmed Altay von der türkischen Gemeinde Kirchseeon Verse aus dem Koran, die von einem Mitglied der türkischen Jugend ins Deutsche übersetzt werden. Darin werde Gott gelobt, dem Weltherren, dem wir dienen. Auf deutsch wird ebenfalls ein Friedensgebet vorgetragen, in welchem Abraham, Moses, Jesus und Mohammed erwähnt werden, die dazu aufrufen, frei von Misstrauen und Vorurteilen zu sein.

"Ihr habt Angst in der Welt, aber seid getrost." Zu diesem Satz aus dem Johannesevangelium stellt Diakon Matthias Scheidt von der Katholischen Kirchengemeinde Kirchseeon Überlegungen an. Die Angst sei ein Grundgefühl, das isoliere und nicht nach Fakten frage. Doch Angst habe auch eine Schutzfunktion. Das "Aber" im Satz weise die Angst in ihre Schranken, an dessen Stelle die Zuversicht rücken solle.

Zum Abschied überreicht Pastorin Pace dem langjährigen Organisator Wilfried Seidelmann eine Rose - "Nachhaltigkeit" nenne man das. "Ich beschenke mich jedes Jahr aufs Neue", versichert Seidelmann, der die Blume seiner Frau schenken wolle, um für häuslichen Frieden zu sorgen.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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