Bereits vor der offiziellen Eröffnung kleben an einigen Gemälden der Ausstellung "Bilder sagen mehr als Worte" im evangelischen Gemeindehaus in Kirchseeon rote Punkte. Ein Zeichen, dass sich für diese Werke bereits Käufer gefunden haben. Immer mehr Menschen drängen sich um die sieben Stellwände und die drei Wände des Gemeindesaals, in dem Kirchseeoner Flüchtlinge und Asylbewerber seit vergangenem Sonntag die Ergebnisse eines wöchentlichen Malkurses bei Gisela Zenker ausstellen.
Sie wollte helfen und den vielen Geflohenen und Asylbewerbern einen Zeitvertreib bieten, sagt die Malerin. "Dass sie zumindest für eine kurze Zeit vergessen. Das war es, was ich erreichen wollte", so Zenker. Malen sei ein Instrument der Kommunikation, bei dem es, wie in der Musik, keiner gesprochenen Worte bedürfe, und damit das beste Mittel, über kulturelle und sprachliche Unterschiede hinweg zueinander zu finden. Offenbar hat sie recht: Hätten zu Beginn des Kurses die meisten jungen Männer noch skeptisch am Rand gestanden und schweigend zugeschaut, so wollten von Woche zu Woche immer mehr ihr zeichnerisches Talent testen. "Mittlerweile sind wir eine feste Einrichtung, und es kommen immer mehr", sagt Zenker und freut sich sichtlich über die wachsende Beliebtheit ihres Kurses.
Auf zwei ihrer Kunstschüler ist Zenker besonders stolz: Hasseb Khalifa und Lavand Ali. Deren Gemälde säumen, eingefasst in Bilderrahmen, die Wände des Gemeindesaals. Zenker beschreibt Ali als vielseitig begabten jungen Mann: Trotz seines großen zeichnerischen Talents möchte er Zahnarzt werden. Bei der Vernissage konnte er nicht dabei sein, da er an diesem Tag zusammen mit seinem Deutschkurs einen Ausflug in die neue Pinakothek unternahm. "Da durfte er natürlich nicht fehlen", entschuldigt Zenker ihren Schüler. Alis Vielseitigkeit erkennt man aber auch in seinen Bildern: Manche zeichnete er mit feinen Bleistiftschattierungen; das Motiv sind meist Frauen. Andere sind farbig und fantasievoll, so wie der Elefant, dessen vier stämmige Beine in lange, leicht geschwungene und nach unten immer dünner werdende Linien übergehen.
Der Syrer Hasseb Khalifa ist der einzige unter Zenkers Schülern, der professionelle Erfahrung als Künstler hat: Zwei Jahre studierte er in Damaskus Kunst, bevor er nach Deutschland floh. Schon als Kind habe er sich leidenschaftlich mit dem Malen beschäftigt, sagt er. Mittlerweile interessiere er sich schwerpunktmäßig mehr für Zeichnen und Design. Das wird deutlich in einigen seiner Bleistiftporträts, die an akkurate Grafiken erinnern. Eines dieser Bilder zeigt zwei alte Menschen, einen Mann und eine Frau, vielleicht ein Ehepaar, ihre Wangen eng aneinander gedrückt. Die Augen des Mannes verdeckt der Rahmen einer großen Brille, die der Frau sind von Angst und Verzweiflung gezeichnet. Sobald Khalifas Deutschkenntnisse gut genug sind, möchte er sein Kunststudium in Deutschland unbedingt fortsetzen. Er lächelt voller Vorfreude, als er das erzählt.
Die Gemälde an den Stellwänden bittet Zenker, "mit anderen Augen zu sehen": Zum Teil seien das die Ergebnisse der ersten Malversuche ihrer engagierten Schüler. Diese Bilder können auf einer Spendenbasis von fünf Euro und mehr erworben werden, die fortgeschrittenen Gemälde an den Gemeindesaalwänden kosten etwa 50 Euro. Mit den eingenommenen Spenden möchte Zenker neue Mal- und Zeichenutensilien für ihre Künstler anschaffen. Bislang stammen sämtliche Pinsel, Farben und andere Instrumente aus ihrem privaten Vorrat.
Die Ausstellung "Bilder sagen mehr als Worte" des Malkurses von Gisela Zenker im evangelischen Gemeindehaus in Kirchseeon ist noch an den kommenden Sonntagen, 17. und 24. April, in der Zeit von 10 bis 13 Uhr, zu sehen.