Kirchseeon:Erinnerungen fürs ganze Leben

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Jede Schulklasse hat das Thema Heimat anders umgesetzt - gelungen sind alle Arbeiten, das fand auch Landrat Robert Niedergesäß, der die Preise verteilte. (Foto: Christian Endt)

Bei der Preisverleihung des Heimatkundlichen Wettbewerbes im Gymnasium Kirchseeon werden elf kreative Arbeiten von Schülern aus dem Landkreis ausgezeichnet

Von Lea Weinberg, Kirchseeon

Was bedeutet eigentlich Heimat? Ein Gefühl, ein Ort, der Duft des Lieblingsgerichtes? Dieser Frage sind Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Ebersberg unter dem Dach des Heimatkundlichen Wettbewerbes auf den Grund gegangen. Auf einem langen Tisch stehen viele verschiedene Werke - kleine bunte Häuser, bemalte Schuhkartons, großformatige Bilder. "Es freut mich, dass es Schüler gibt, die sich mit Heimat befassen", sagt Gabriele Söllheim, Schulleiterin des Gymnasiums Kirchseeon, wo die diesjährige Preisverleihung stattfindet. Seit 1978 wird der Wettbewerb jährlich ausgeschrieben. "Auch dieses Jahr ist eine breite Palette an Arbeiten herausgekommen", lobt auch Landrat Robert Niedergesäß die teilnehmenden Schüler.

Zwei Gymnasien und vier Realschulen haben sich an dem Wettbewerb beteiligt. Elf Arbeiten wurden prämiert. Unterteilt werden die eingereichten Beiträge in schriftliche und künstlerische Arbeiten, auch ein Sonderpreis für besonders herausragende Leistung wird verliehen. Alle Teilnehmer, die entweder Einzel- oder Gruppenarbeiten eingereicht haben, bekommen zudem vom Landrat eine Urkunde überreicht. Insgesamt 1600 Euro Preisgeld stellt der Landkreis zur Verfügung.

Der Sonderpreis über 200 Euro geht an eine Gruppenarbeit des P-Seminars Latein des Gymnasiums Kirchseeon. Unter der Leitung von Tobias Scheller erkundeten zwölf Schüler die "Geheimnisse lateinischer Urkunden". Die Gymnasiasten haben Dokumente des Ebersberger Jesuitenklosters erforscht und übersetzt. Robert Niedergesäß lobt die Schüler für ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. "Das Projekt hat auch überregional für Furore gesorgt", fügt er hinzu. Der Bezirk Oberbayern und das Kultusministerium in München haben die Arbeit des P-Seminars auch schon mehrfach gewürdigt.

Insgesamt werden vier erste Preise verliehen. Einer geht an eine neunte Klasse der Realschule Ebersberg, die dieses Jahr 50-jähriges Bestehen feiert. Die Neuntklässler beschäftigten sich mit der Architektur der barocken Grafinger Fassaden, fertigten Zeichnungen der Häuser an und formten diese aus Ton. Anschließend wurde jedes Haus in den originalgetreuen Pastellfarben glasiert. "Für die Region sind diese Häuser sehr typisch", erklärt die Betreuungslehrerin. Und da die Schüler bald ihren Abschluss machen würden und eventuell den Ort verlassen, könnten sie sich so immer an ihre Heimat erinnern.

Auch ein weiteres P-Seminar darf sich über einen ersten Preis freuen. Die Schüler des Gymnasiums Kirchseeon fertigten unter dem Motto "Graffiti never dies" eine umfassende Archivierung der Graffiti des ehemaligen Bahnschwellenwerkes in Kirchseeon an. Die Idee dazu hatte Elmar Kramer vom Verein für Heimatkunde. Er hat vor dem Abriss des Geländes jahrelang die Kunstwerke fotografiert. "Die wenigsten wissen, dass dort unzählige Graffiti-Bilder entstanden sind", erklärt Kramer, "und ich dachte mir, das muss man erhalten". Die Schüler dokumentierten ihre Auswahl aus den mehr als 2000 Aufnahmen von Elmar Kramer in einem Katalog.

Eine fünfte Klasse der Lena Christ Realschule in Markt Schwaben schafft es mit ihrem Memory-Spiel ebenfalls auf Platz eins. Jeweils zu zweit zeichneten die Schüler verschiedene Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der Marktgemeinde. Auch eine Schachtel mit dazugehöriger Anleitung entstand in Handarbeit. Vor allem für Schüler, die mit dem Bus aus umliegenden Gemeinden in die Schule fahren und den Ort nicht richtig kennen, soll das Memory, das man auch als "Schwarzer Peter" spielen kann, als kleine Orientierung dienen.

Neben den künstlerischen Gruppenarbeiten darf sich eine Schülerin des Humboldt-Gymnasiums über 100 Euro und einen ersten Platz freuen. Die Gymnasiastin verfasste im Rahmen ihres W-Seminars eine schriftliche Arbeit über den Neubau des Schwimmbades in Vaterstetten im Spiegel der lokalen Medien. "Da werde ich wohl auch das eine oder andere Mal drin vorkommen", witzelt Robert Niedergesäß.

Die beiden zweiten Preise gehen jeweils an die Realschule Ebersberg und die Dominik-Brunner Realschule in Poing. Fünfte, sechste und siebte Klasse der Poinger Realschule haben Schaukästen unter dem Motto "Meine Heimat - deine Heimat" gebaut - Landschaftsbilder aus dem Schuhkarton und aus Sicht der Schüler. "Zurzeit leben in Poing Asylbewerber, die durch die Flucht ihre Heimat verloren haben", sagt einer der mitwirkenden Schüler, "wir wollten ihnen zeigen, wie unsere Heimat aussieht". So stellt Antonia in ihrem Schuhkarton den Ebersberger Forst dar. "Ich finde die Natur hier sehr schön", erklärt sie. Blickt man durch ein anderes Guckloch im Karton, erkennt man einen kleinen Maibaum, grüne Wiesen und eine Skaterbahn, weiße Wattewolken komplettieren das Landschaftsbild. "Wenige Themen beschäftigen uns hier so viel wie die Situation der Flüchtlinge", sagt Robert Niedergesäß, gerade die Schüler im Landkreis würden besonders aufgeschlossen reagieren.

Schüler einer neunten Klasse der Realschule Ebersberg haben sich mit einem Thema befasst, das viel weiter zurück liegt und damit einen zweiten Platz gewonnen. Sie bastelten ein Modell der Erdgeschichte. Die erste Schicht, ein großes, weißes Styropor-Modell, stellt den Landkreis als Gletscher dar. Wird sie abgenommen, zeigen sich als zweite Schicht die Grundmoräne und die angrenzenden Endmoränen. Hebt man auch diese ab, sieht man den grünen Landkreis Ebersberg, wie er heute noch aussieht. "Tolle Idee und tolle Arbeit", sagt Robert Niedergesäß.

Zwei dritte Preise werden der Realschule Vaterstetten verliehen. Eine sechste Klasse töpferte Tonmasken, als Vorlage dienten die Perchten in Kirchseeon. Eine neunte Klasse malte große Bilder zu der Frage: "Was bedeutet Heimat für mich?". Der vierte Preis geht an die Geschichtswerkstatt der Jahrgangsstufen sechs und sieben im Humboldt Gymnasium Vaterstetten. Diese reichte ein selbst produziertes Radio-Interview zum Thema "Ein Schwimmbad in Vaterstetten" im mp3-Format ein.

"Wenn es um Heimat geht, hat jeder ein anderes Gefühl", sagt Robert Niedergesäß. Für die teilnehmenden Schüler bedeutet Heimat wohl auch die Möglichkeit, sich mit ihr kreativ und phantasievoll auseinanderzusetzen.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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