Kinderbetreuung im Landkreis Ebersberg:Hundert Krippenplätze fehlen

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Obwohl sich die Gemeinden um den Ausbau der Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder bemühen, übersteigt die Nachfrage an vielen Orten das Angebot. Kritisch ist die Situation derzeit in Markt Schwaben und Zorneding.

Von Anja Blum, Ebersberg

Plätzchen in der Krippengarderobe bleiben selten leer, denn die Nachfrage ist so hoch, dass die Gemeinden mit dem Ausbau nicht nachkommen. (Foto: Hinz-Rosin)

Mit Beginn des Schuljahrs sind auch die Krippen in eine neue Saison gestartet - doch allem Ausbau zum Trotz haben wieder viele Familien im Landkreis keinen Betreuungsplatz gefunden. Laut der aktuellen Statistik aus dem Landratsamt konnte der Bedarf in sechs Gemeinden nicht gedeckt werden.

Spitzenreiter sind Markt Schwaben mit 34 und Zorneding mit 30 fehlenden Plätzen. Angesichts dieser Zahlen ist verwunderlich, dass im Landkreis bislang keine Familie Klage eingereicht hat. Dies nämlich ist möglich, seit 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auf Kinder ab einem Jahr ausgeweitet wurde.

Warum die Ebersberger Eltern von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, weiß man im Landratsamt nicht. "Darüber kann man nur spekulieren", sagt Stefanie Geisler, Leiterin de Abteilung Bildung und Soziales. "Wahrscheinlich finden viele dann doch andere Lösungen", vermutet Bettina Bauer, die in Zorneding für die Kinderbetreuung zuständig ist.

Den Eltern, die sich im Rathaus gemeldet hätten, habe man bislang jedenfalls immer helfen können. Sei es mit einem Platz in einer anderen Gemeinde oder bei einer Tagesmutter. Zu den Familien , die nach einer Absage resignieren, hat Bauer allerdings keinen Kontakt. "Auf die können wir gar nicht zugehen, das verbietet der Datenschutz", erklärt die Zornedinger Mitarbeiterin.

Eine Grafinger Familie, die bislang keine Betreuungsmöglichkeit gefunden hat, entschied sich gegen eine Klage, weil ihr der Aufwand zu hoch erscheint. "Das wäre verbunden mit hohen Kosten und psychischem Stress - bei fragwürdigen Erfolgsaussichten", sagt die Mutter. Schließlich seien die bisherigen Urteile sehr unterschiedlich ausgefallen. "Außerdem wollte ich keinen Streit, sondern einen guten Weg gehen."

Die offizielle Statistik fußt auf den Daten der Träger: Sie melden die Zahl der Anmeldungen an die jeweilige Gemeinde, diese wiederum gibt Angebot und Nachfrage an das Landratsamt weiter. Durch diesen Prozess entsteht jedoch eine gewisse Unschärfe: "Das Problem ist, dass die Träger auch viele Anmeldungen für Eintrittstermine unter dem Jahr haben - die Statistik also den Bedarf von 24 Monaten erfasst, aber eigentlich den Stand zum September zeigen sollte", erklärt Bauer.

Außerdem, sagt ihre Kollegin Maximiliane Dierauff aus dem Grafinger Rathaus, herrsche hier stets ein hohes Maß an Fluktuation - beispielsweise durch Umzug oder einen früheren Übertritt in den Kindergarten. "Diese Zahlen ändern sich praktisch stündlich." Laut Statistik ist der Bedarf in Grafing derzeit vollständig gedeckt, obwohl laut Dierauff im Frühjahr 20 Absagen erteilt werden mussten. Auf ein entsprechendes Schreiben der Bürgermeisterin habe jedoch nur eine Familie reagiert - für die man dann auch eine Lösung gefunden habe.

Beim schweigenden Rest geht man im Grafinger Rathaus davon aus, dass der Bedarf nicht so dringlich ist beziehungsweise das Kind anderweitig betreut wird. Um die Situation zu entspannen, ist ein neues Kinderhaus an der Forellenstraße geplant.

Markt Schwaben liegt mit 136 vorhandenen Krippenplätzen an dritter Stelle im Landkreisranking, trotzdem fehlen laut Statistik 34 Plätze. "Eventuell wechseln demnächst einige Ältere von der Krippe in den Kindergarten, so dass Jüngere nachrücken können", so die Hoffnung von Bürgermeister Georg Hohmann (SPD). Den restlichen Bedarf versuche man mit der Tagespflege abzudecken. "Ja, wir sind hier wieder sehr gradwandlerisch unterwegs", sagt Hohmann, "aber wir wollen uns dieser Aufgabe sicher nicht entziehen."

Es sei nur eben sehr schwierig, Krippenplätze vernünftig zu planen. Das größte Problem dabei sei, dass Eltern sich nicht früh genug meldeten. "Bei der letzten Befragung lag die Rücklaufquote im Krippenbereich bei gerade man 52 Prozent. Und der Rest? Steht erst vor der Tür, wenn es so weit ist."

Konkrete Ausbaupläne gibt es in Markt Schwaben derzeit nicht. Für den Notfall gebe es aber einen Container, in dem übergangsweise ein Kindergarten untergebracht war. Die Frage, wieso dieser bei aktuell 34 fehlenden Krippenplätzen nicht bereits in Betrieb genommen wurde, kann er allerdings nicht beantworten.

Nicht viel besser sieht die Lage in Zorneding aus, hier sind 47 Krippenplätze vorhanden - 30 zu wenig. Bettina Bauer zufolge ist das größte Problem, Träger und Personal zu finden. "Trotzdem - letztes Jahr war es schlimmer", sagt sie, zu diesem September hätten sich gerade einmal zwei Familien an das Rathaus gewandt. Um den Engpass in Zorneding zu beheben, ist derzeit ein neues Kinderhaus in Planung, das zum Schuljahr 2016/17 eröffnen soll. Wie viele Krippenplätze dort entstehen, weiß Bauer jedoch nicht, da die Gemeinde weder Bauherr noch Träger sei.

Jeweils zwei Krippengruppen, also insgesamt 24 Plätze, gibt es in Anzing und Glonn - doch das ist an beiden Orten zu wenig. In der nördlichen Gemeinde fehlen 20 Plätze, allerdings wird dieser Bedarf bereits Ende des Jahres gedeckt sein: Dann kommen zum Kindergarten Arche Noah noch zwei Krippengruppen hinzu.

In Glonn, wo laut Statistik 17 Plätze fehlen, müssen sich die Eltern noch ein bisschen länger gedulden: Die Erweiterung der Krippe auf Schloss Zinneberg um zwei Gruppen wird voraussichtlich erst im Mai fertig sein. Fünf Anmeldungen konnten in Kirchseeon nicht berücksichtigt werden, auch diese Gemeinde gibt mangelndes Personal als Grund dafür an.

Entlastung erhofft man sich durch eine Krippe, die das Berufsbildungswerk Sankt Zeno Anfang nächsten Jahres eröffnet. Außerdem ist ein neues Kinderhaus an der Münchener Straße geplant. Nummer sechs der Gemeinden ist Steinhöring, wo zwei Kinder keinen Krippenplatz bekommen haben.

In Vaterstetten, wo noch vor einem Jahr Alarmstufe Rot galt, hat sich die Situation offenbar entspannt: Die Gemeinde bietet mittlerweile 289 Krippenplätze - das ist im Landkreis Rekord - und hat damit laut Statistik den Bedarf gedeckt. Die beiden Klassenbesten sind momentan die Zuzugsgemeinde Poing und die Kreisstadt Ebersberg: Dort sind derzeit elf beziehungsweise zehn Krippenplätze frei.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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