Im Forst:Vöglein,versteck dich

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Entlang der Straße von Ebersberg nach Forstinning werden Bäume gefällt - aus Sicherheitsgründen. Naturschützer kritisieren den späten Zeitpunkt

Von Korbinian Eisenberger

Wer sich im Ebersberger Forst in diesen Tagen grantig aus dem Autofenster lehnt, um auszumachen, was denn da den Verkehr aufhält, der dürfte die Folgen einer fünf- bis zehnminütigen Verspätung freilich verkraften. Drastischer sind dagegen die Langzeitauswirkungen für die unfreiwilligen Verursacher der Verzögerung zwischen Forstinning und Ebersberg: Es handelt sich um Hundertschaften von Fichten, Birken und Buchen, die das zuständige Forstamt Wasserburg vergangene Woche aus Sicherheitsgründen zur Abholzung freigegeben hat. Der Naturschutz ist davon naturgemäß wenig begeistert. Die Maßnahme käme für Vögel zu spät.

Auf einer Strecke von sechs Kilometern säumen bereits mehr als tausend umgesägte Stämme die Gräben links und rechts der St 2080. Forst- und Straßenbauamt hatten sich darauf geeinigt, um Autofahrer vor herabfallenden Ästen und schiefen Stämmen zu schützen. Vor dem Feiertag am Donnerstag soll die mobile Fällmaschine mit ihrem Greif-Arm auch auf den letzten beiden Kilometern Richtung Forstinning bedrohliche Bäume umschneiden.

"Rechtlich gesehen ist das alles korrekt", sagt Max Finster, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde. Anders als Privatgärtner dürfen Forst- und Landwirte per Gesetz auch nach dem Stichtag am 1. oder 15. März Sträucher und Bäume zuschneiden oder umsägen. Der Zeitpunkt sei dennoch schlecht gewählt, kritisiert Finster. "Es ist einfach unglücklich, wenn man in der hochaktiven Vogelbrutzeit voll belaubte Bäume fällt." Es habe zwar vorab ein gutes Gespräch mit den Beteiligten gegeben, aber eben zu spät. "Uns wäre es lieber gewehen", so Finster, "wenn das Forstamt schon im Winterhalbjahr eingegriffen hätte".

"Über den Zeitpunkt kann man sicherlich diskutieren", räumt Joachim Kessler, stellvertretender Leiter des Forstbetriebs Wasserburg, ein. Dennoch habe er keinerlei Bedenken, was den Vogelschutz angehe. Bei der Besichtigung und auch danach habe er weder Vogelnester noch Bruthöhlen in den Bäumen am Straßenrand entdecken können. "Wir machen das nicht mutwillig", sagt Kessler. Es sei schlichtweg notwendig zum Schutz der Autofahrer.

Betroffen von den beiden provisorischen Ampeln sind derzeit täglich knapp 9000 Fahrzeuge, die sich in beiden Richtungen zwischen dem Kreisverkehr am Ebersberger Ortsschild und der Autobahnausfahrt bewegen. Frank Plate von der Straßenmeisterei koordiniert mit seinen Mitarbeitern den Verkehr so lange, bis die gefällten Stämme verschwunden sind. "Vielleicht schaffen wir es bis Dienstagabend", sagt er. Am Zeitpunkt stört sich der Dienststellenleiter nicht. Viele Bäume seien kaputt und es bestehe die Gefahr, dass sie umstürzen oder brechen. Zudem käme das Sonnenlicht stellenweise zu schwach durch die Baumwipfel. Jetzt weiter zu warten, sei riskant. Auch das Forstamt beschwichtigt. "Im Forst arbeiten wir das ganze Jahr über", sagt Kessler. Interessieren würde sich die Öffentlichkeit aber nur dann, wenn sie vom Auto aus dabei zusehen könne. "Die Leute rufen reihenweise bei uns an", sagt er. Manche würden ihre Besorgnis um die Natur kundtun. "Die meisten fragen aber, ob wir noch einen Ster Holz für sie übrigen haben", sagt Kessler. Dass es um ihre eigene Sicherheit geht, das würde dagegen die wenigsten jucken.

"Menschenschutz geht vor Artenschutz", befindet schließlich auch Finster.

Er könne nur nicht verstehen, warum man sich nicht ein paar Wochen früher um die rund 500 Kubikmeter hölzernes Gefahrgut habe kümmern können. Daran, dass man erst Abnehmer für das frisch geschnittene Holz finden musste, lag es sicher nicht. Noch vor dem ersten Anruf eines Interessenten, sagt Kessler, habe das Forstamt bereits einen Käufer gefunden.

© SZ vom 29.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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