Historie:Gala mit Bildungsauftrag

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Amüsiert zeigen sich die modernen Vaterstettener, darunter Europaabgeordnete Angelika Niebler und Landrat Robert Niedergesäß, über die von Bürgermeister Reitsberger geschilderte wilde Vergangenheit der Gemeinde. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Neujahrsempfang nimmt Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger seine Gäste mit in die bewegte Vergangenheit der Gemeinde

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Eine Ansammlung ärmlicher, schmutziger Holzhütten, bewohnt von Leuten, die durch "volle Stumpfheit und Blödigkeit" auffallen. Dies entstammt nicht der modernen amerikanischen Diplomatie, sondern den Beobachtungen Josef von Hazzis. Mehr als zwei Jahrhunderte, nachdem der bayerische Generallandesdirektionsrat diese zu Papier gebracht hatte, sorgten sie bei den heutigen Bewohnern des damals ärmlichen Hinterlandes durchaus für Erheiterung. Anlässlich des heuer anstehenden 200. Geburtstages der Gemeinde nutzte Bürgermeister Georg Reitsberger seine Neujahrsansprache, um mit seinen den Gästen einen Ausflug in die Vergangenheit zu unternehmen.

Eine Zeit, in der von einer "Akademikergemeinde", gar einer "Gemeinde der Besserverdienenden", keine Rede sein konnte. Einige Jahre nach Hazzis Bericht klagte Dorflehrer Faist über den "völlig ruinösen" Zustand der Schule. In deren morschen Mauern treiben "Unken, Mäuse und andere ekelhafte Tiere" ihr Unwesen - und stören den Unterricht. Die Ausdünstungen des moderigen Gemäuers führten außerdem bei den Schülern zu Übelkeit, Kopfschmerzen und sogar, dazu dass sie "ohnmächtig niederfallen", beklagte der Lehrer vor gut 180 Jahren. "Dagegen sind unsere heutigen maroden Schulen wahre Paläste", befand Reitsberger - eine kleine Anspielung auf das Vaterstettener Dauerthema Schulsanierungen.

Nicht viel besser stand es offenbar um den Ruf, den die damaligen Vaterstettener bei der Obrigkeit hatten. So durfte erst Ende des 19. Jahrhundert in Baldham ein Wirtshaus eröffnet werden. Denn, wie Reitsberger die Befürchtungen der damals Zuständigen zitierte, eine Schenke in der "abseitigen Lage" beim Forst, würde "zu einem Schlupfwinkel für Wilddiebe und anderes schlechtes Gesindel". Erst nach Eröffnung der Station Baldham gab es mit der Bahnhofsrestauration die lange ersehnte Wirtschaft, die dann aber keine Wildererspelunke, sondern ein beliebtes Ausflugslokal geworden ist.

Nur ein Beispiel, "wie sich über eine Zeitspanne von 200 Jahren vieles zum Besseren entwickelt hat", so Reitsberger, "trotz so mancher Begehrlichkeiten leben wir in einer attraktiven Gemeinde, die sehr vieles zu bieten hat". Ob Kinderbetreuung, Schulen, Freizeit- und Bildungseinrichtungen, "die Aufgaben werden immer mehr und müssen finanzierbar bleiben". Einsparungen am bestehenden Angebot, erteilte Reitsberger aber eine Absage: "Freiwillige Leistungen für sportliche, soziale und kulturelle Zwecke fördern das gemeindliche Zusammenleben und die Lebendigkeit einer Gemeinde."

Dies konnten die Gäste auch auf der Bühne sehen und hören, beim Auftritt zweier Nachwuchstalente der Vaterstettener Musikschule, Theresa Ströbele und Yutaka Nishimura an Klarinette und Klavier. Auch die Partnerschaft mit Trogir war musikalisch zu erleben: Alicia Baier aus Vaterstetten und Blaž Ševo aus Trogir unterhielten die Besucher an Hackbrett und Gitarre.

Für viel Unterhaltung hatten in den vergangenen 33 Jahren auch die Mitglieder der Weißenfelder Kinderbühne gesorgt. Im Dezember wurde das Theaterprojekt eingestellt, zum Abschluss wurden die Aktiven vom Bürgermeister für ihre Arbeit geehrt. Wohl noch viele Jahre wird es die Mittagsbetreuung an der Wendelsteinschule geben, deren "gute Seele", Gabriele Dürmeier, wurde ebenfalls ausgezeichnet. Genau wie Claus Ortner, der sich neben seiner Arbeit als Vorstand des Wasserbeschaffungsverbandes Baldham stets für die Verschönerung seiner Gemeinde einsetzt. Für sein jahrzehntelanges Engagement für die Feuerwehr und die Altschützen Vaterstetten gab es eine Ausreichung für Peter Linner. Posthum geehrt wurde Walter Rzepka, der im Oktober verstorben ist. Der frühere Generallandesanwalt hatte sich mit der Gemeindegeschichte beschäftigt. Rzepkas Arbeit sei "ein wertvoller Grundstock unseres heutigen Archives". Ebenfalls ausgezeichnet wurden Thomas Hetzel, Andreas Rauch und Ulrich Schwaiger für 25 Jahre aktiven Dienst bei der Feuerwehr Parsdorf-Hergolding. In Abwesenheit ausgezeichnet für sogar 40 Jahre Dienst wurde ihr Kamerad Josef Möstl.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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