Heimatkunde:Die Galerie der starken Grafingerin

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Das Heimatmuseum der Stadt präsentiert von Sonntag an eine Ausstellung über Frauengestalten, welche die Mär vom "schwachen Geschlecht" klar widerlegen.

Von Rita Baedeker, Grafing

Eine traumhafte Wohnlage, dieses idyllische Tal. Gisela, Tochter von König Konrad III. von Burgund, und ihr Gatte, Herzog Heinrich, beschließen, sich dort niederzulassen. Entdeckt haben sie den Flecken Erde bei einem Besuch des Freisinger Bischofs, der Ländereien in Öxing besitzt. Gisela lässt am Quellbach Urtel ein Landgut errichten, das sie "Gisling" nennt. Doch nur drei Jahre später wird der Besitz dem kaisertreuen Grafen Ulrich von Ebersberg übereignet.

Der Grund: Heinrich, genannt "der Zänker", hat gegen seinen königlichen Vetter Otto II aufgemuckt und wird, wie es amtlich heißt, "seines Herzogthums entsetzt". Ulrichs Gattin Richardis hat nun nichts Eiligeres zu tun, als den Namen ihrer Vorgängerin auszuradieren und Gisling in "Grafing" umzuändern. Soll heißen: "Zu den Leuten des Grafen". Was lernen wir daraus? Schon bei der Gründung der Stadt Grafing hatten die Frauen das Sagen. Und Stutenbissigkeit, die gab es auch schon.

Die Galerie der starken Grafingerin, die von Sonntag an, 21. Mai, im Museum Grafing zu bewundern ist, reicht von Gisela und Richardis bis zur ersten Bürgermeisterin der Gegenwart, Angelika (Obermayr): Frauen taten sich hervor als Stifterin, Doktorbäuerin, Brauereichefin, als Bürgerrechtlerin, Krankenschwester, als Malerin und Bildhauerin. Auch zwei Frauen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, haben als starke Persönlichkeiten ihre Spuren hinterlassen.

"Von wegen Schwaches Geschlecht"! lautet der Titel der Sonderausstellung. Museumsleiter Bernhard Schäfer hat starke Frauen "gesammelt", bekannte und unbekannte Heldinnen des Alltags, Amazonen. Die Idee, so Schäfer, habe Maximiliane Dierauff von der Gleichstellungsstelle geliefert. Bei ein paar Frauen, welche aktuell die Mär vom schwachen Geschlecht widerlegen, habe er Probleme gehabt, sie zum Mitmachen zu überreden, erzählt Schäfer.

Weibliche Macht durch reiche Heirat

Und so sind es in erster Linie historische Frauenpersönlichkeiten, deren Leben und Werk man hier studieren kann. Spannend sind besonders die Biografien mächtiger Damen im Mittelalter. Das weithin berühmteste Vorbild früher weiblicher Dominanz, Eleonore von Aquitanien, die 1204 verstorbene Mutter von Richard Löwenherz, war eine der einflussreichsten Frauen ihrer Zeit. Machtfülle besaßen jedoch nur Frauen höfischer Abkunft. Und sie kostete meist einen hohen Preis.

Liest man die neben Fotos, Illustrationen und Dokumenten gehängten Biogramme der Frauen, wird klar, dass weibliche Macht meist auf dem Fundament von reicher Heirat, Erbschaft oder besonderen Umständen (Krieg, früher Tod des Ehemanns) ruhte. Etwa bei der "schönen Leni", die 1802 den Braumeister des Grafinger "Kasperlbräus", Melchior Kleinmaier, heiratete. Nach dessen Tod führte Magdalena den Betrieb 18 Jahre lang allein.

Als herausragende Vertreterin ihres Geschlechts gilt auch Afra von Pienzenau, die im 16. Jahrhundert auf Wildenholzen längere Zeit als Haushälterin "im Konkubinat" mit dem Hausherrn Georg lebte, bevor sie diesen ehelichte und zum lutherischen Glauben wechselte. Als ihr Mann starb, gründete Afra eine Stiftung, mit der Theologiestudenten reformatorischen Glaubens mit Stipendien unterstützt wurden.

Fände sich kein solcher, sei auch ein Katholik willkommen, verfügte sie in ihrem berühmt gewordenen Testament. Die Stiftung habe bis nach den Zweiten Weltkrieg existiert, berichtet Schäfer. Die großzügige Stifterin fand 1566 ein tragisches Ende, Sie stürzte von ihrem Schloss aus in den Tod. Ob sie an einer Depression litt oder ihre fortschreitende Erblindung zu einem Fehltritt führte, weiß man nicht.

Auch in anderen Bereichen leisteten Frauen Großes. Als "Doktorbäuerin" wurde etwa Franziska Zellner berühmt. Neben ihrer Arbeit auf dem Bauernhof am Berg war sie erfolgreich als Heilkundige tätig und versorgte auch mittellose Kranke. Sogar aus München kamen Patienten zu ihr auf den Hof. Als Mitte der 1920er Jahre die Eingemeindung von Öxing in die Marktgemeinde Grafing gefordert wurde, kämpfte Franziska Zellner vehement gegen diese Pläne. Auf einer karikaturhaften Moritatentafel hat man sie mit Axt und buckelnder Katze gezeichnet. Auf einer anderen Darstellung rennt ein Gendarm hinter ihr her, der sie zur Ordnung rufen will.

1943 im Transport Nr. II/18 nach Theresienstadt

Der vorletzte Raum ist der engagierten Rot-Kreuz-Schwester Maria Aneder sowie Pauline Malterer und Martha Pilliet gewidmet. Malterer war Jüdin. Noch vor der Hochzeit nahm sie den katholischen Glauben ihre Ehemanns an, der jung starb. 1929 zog sie mit ihren Töchtern nach Grafing, eines der Mädchen war behindert. Nachdem gerüchteweise bekannt geworden war, dass die Neue jüdischer Abstammung sei, stellten die Nazi-Behörden Nachforschungen an.

Und hatten kein Erbarmen. Schäfer schreibt. "Mit Transport Nr. II/18 wurde Pauline Malterer am 23. Juli von München nach Theresienstadt gebracht. Dort starb sie 1943." Auch Martha Pilliet, die in der Bahnhofstraße wohnte und als Kunstmalerin tätig war, sollte deportiert werden. Drei Tage vor Abfahrt des Zuges nahm sie sich das Leben.

Grafinger Frauen erobern bald auch die Schönen Künste. Wie etwa Maria Kainz. Die Säuglingsschwester war in ihrer Jugend Sängerin der Liedertafel und Darstellerin im Laientheater. Später befasste sie sich mit Heimatkunde und Esoterik. Sie gestaltete Fatschenkindl, Krippenfiguren und Ölbilder. 1996 starb sie in einem Seniorenheim in Vaterstetten.

Mit prominenten Frauen wie der Bildhauerin und Journalistin Johanna Schmidt-Grohe, die für den BR zwanzig Jahre lang "Das Notizbuch" moderierte und die Hörer in zeitgenössische Kammermusik einführte - 2009 starb sie -, ist die Galerie der starken Grafingerin in der Gegenwart angekommen. Jüngste im Bunde: Swantje Schlederer, die nach dem Tod ihres Mannes 2015 die Leitung der Brauerei Wildbräu übernahm - ganz nach dem Vorbild der "schönen Leni".

Eröffnung der Ausstellung "Von wegen schwaches Geschlecht! Starke Frauen aus Grafing und Umgebung" ist Sonntag, 21. Mai, um 11 Uhr im Museum Grafing. Von 12 bis 16 Uhr stellen sich Frauenorganisationen vor. Bis 10. September, geöffnet Sonntag, 14 bis 16, und Donnerstag 18 bis 20 Uhr.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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