Schon mal was vom Oarscheim gehört? Oder den österlichen Beichtbildchen? Heute zählt das Suchen nach den bunt gefärbten Eiern so selbstverständlich zum Osterfest wie der sorgsam geschmückte Christbaum zu Weihnachten. Manche der Bräuche und Rituale, die uns durch die Feiertage begleiten, sind schon viele hundert Jahre alt und haben im Jetzt längst eine andere Bedeutung angenommen. Andere Bräuche hingegen sind sang- und klanglos aus unserem Leben verschwunden, ohne dass wir von ihnen noch viel Kenntnis haben. Dabei wurde im Landkreis Ebersberg in früherer Zeit gerade das Osterbrauchtum fleißig gepflegt.
"Zu meiner Kindheit war noch viel geboten zur Osterzeit", weiß Vaterstettens Bürgermeister und Hobby-Historiker Georg Reitsberger zu berichten, "die habe ich als Ministrant in der Kirche intensiv miterlebt." So schwiegen nach dem Gloria in der Gründonnerstags-Liturgie die Kirchenglocken - ein Brauch, der noch heute praktiziert wird. "Sie fliegen nach Rom", wurde den Kindern erzählt. Traditionelles Mittagsgericht am Gründonnerstag war frisch geernteter Spinat mit Spiegelei und Kartoffeln.
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Wer in einem zusätzlichen Feiertag nur die Konkurrenz zum heimischen Brauchtum sieht, hat nichts verstanden.
Vor Jahrzehnten, so Reitsberger, war der Karfreitag im weitgehend katholisch geprägten Vaterstetten ein Arbeitstag, aber nur für stille Arbeiten. Zudem galt er als strenger Fastentag, an dem nur eine fleischlose Hauptspeise eingenommen werden durfte. Außerdem war - von vielen gefürchtet - die Osterbeichte angesagt. Als Nachweis dafür gab es Beichtbildchen, die sich der Dorfpfarrer gelegentlich auch bei Hausbesuchen zeigen ließ.
Für die Speisenweihe im Auferstehungsgottesdienst in der Osternacht bereitete man ein Körbchen mit Ostereiern, Salz, Brot und Geräuchertem sowie einem gebackenen Osterlamm, dem ein buntes Auferstehungsfähnchen eingesteckt wurde - auch dies ist heute noch durchaus üblich.
Früher wurde selbst den Pferden und Kühen ein kleines Stückchen geweihtes Brot zugedacht. Lange sei es in Vaterstetten üblich gewesen, so Reitsberger, dass die Bauern aus der Region ein Holzscheit, das an einem Drahtbügel befestigt war, in das Osterfeuer legten. Das angekohlte Stück brachten sie dann nach Hause, schnitten Span um Span von dem geweihten Holz und fügten sie dann zu kleinen Kreuzen zusammen. Diese wurden dann in jeden Acker gesteckt und mit bunten Schalen von geweihten Ostereiern umgeben, mit der Hoffnung auf gedeihliches Wetter.
Auch nutzte so manches Mädchen das Osterfest als Gelegenheit, dem Angebeteten ein Geschenk in Form eines Ostereis zu machen, sagt Reitsberger: Die Färbung des Eis zeigte, wie innig das Verhältnis zueinander war. Grün stand für die Hoffnung, Rot für die Liebe, Blau für Treue und Gelb für Eifersucht.
Vor allem auf Bauernhöfen und in den Dörfern war früher das so genannte "Oarscheim" (zu Hochdeutsch etwa: Eierschieben) beliebt, erzählt Plienings Heimatforscher Willi Kneißl. Dazu wurden zwei Rechen so zueinander gestellt, dass ihre Stiele dicht aneinander lagen und eine Bahn bildeten. Darauf ließ man dann Eier herunterrollen. "Das war eine Art Wettbewerb", sagt Kneißl. Zu seiner Kindheit sei dieser uralte Brauch bereits schon nicht mehr üblich gewesen; dafür, so Kneißl, habe er wohl zu nah an der Stadt gewohnt.
Doch komplett ausgestorben ist das "Oarscheim" nicht, es wird heute noch zelebriert. Etwa bei den Seetaler Trachtlern in Kirchseeon. Dort wurden erst am vergangenen Wochenende wieder traditionelle Osterspiele für die Kinder veranstaltet, berichtet Jugendleiterin Bettina Scharnagl, darunter auch das Eier-Blasen, bei dem das Osterei mit einem kräftigen Puster ins Rennen geschickt wird.
Von einem weiteren Brauch, der seinen Weg durch die Jahrhunderte gefunden hat, berichtet Ortschronist Berthold Schäfer aus Frauenneuharting. Dem Schweigen der Kirchenglocken bis zur Messe in der Osternacht setzen die Karfreitagsratschen ein knorriges Scheppern entgegen. Die einfachen, aber unüberhörbaren Holzinstrumente, so Schäfer, werden von den Ministranten oder dem Mesner gedreht; meist zur Karfreitagsliturgie.
Wieder zum Leben erweckt wurde in den vergangenen Jahren in Frauenneuharting zudem der Aufbau des Heiligen Grabes: Schon im frühen 19. Jahrhundert wurden an den Kartagen in den Kirchen Grabmäler in Erinnerung an das Grab Christi errichtet, auch in Frauenneuharting. Anfang der 1970er Jahre schlief das Brauchtum jedoch ein.
Seit ein paar Jahren nun wird die Grabkammer wieder nachgebaut und mit leuchtenden Glaskugeln, Öllämpchen und Kerzen ausgestattet, zuletzt im vergangenen Jahr. "Das findet großen Anklang, weit über die Gemeindegrenzen hinaus", erzählt Schäfer. Eine Dorfgemeinschaft hat sich nun zusammengetan, um sich um die Renovierung des Heiligen Grabes zu kümmern; in Zukunft soll es etwa alle fünf Jahre an Ostern errichtet werden.
Manche Bräuche brauchen jedoch keine lange Tradition; sie ergeben sich wie von selbst. Auf dem Dorfplatz in Frauenneuharting beispielsweise wurde im Jahr 1997 anlässlich des 1000-jährigen Bestehens der Gemeinde ein Brunnen gebaut. Seit einigen Jahren, so Schäfer, werde dieser nun an Ostern mit bunten Eiern geschmückt.