Grafing:Zeugnisse im Bildschirmformat

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Elisabeth Weilnböck aus Grafing digitalisiert Tausende Sterbebilder

Lange war der Brauch im gesamten katholischen Europa verbreitet, in vielen Regionen wird er sogar immer noch gepflegt: Die beim Requiem verteilten Sterbebilder. Die einfachen oder gefalteten Zettel enthalten die wichtigsten Lebensdaten eines Verstorbenen, inzwischen auch ein Foto. Ursprünglich kommt der Brauch aus Holland. In Bayern kamen die Totenzettel zum ersten Mal um das Jahr 1830 auf. Mit der Einführung der Schulpflicht und der damit verbundenen Alphabetisierung der Bevölkerung verbreitete sich der Brauch fortan.

"Sterbebilder sind in der heimatkundlichen Forschung eine sehr interessante Quelle", sagt die Grafingerin Elisabeth Weilnböck. Sie gehört zu den wenigen Experten auf dem Gebiet, hat in den vergangenen Jahren Tausende Bildchen per Scanner digital archiviert. Die Bilder spiegelten stets die gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse wider. Anfangs zierten Heilige die Zettel oder fromme Sprüche. Mit der aufkommenden Fotografie zum Ende des 19. Jahrhunderts integrierte man Fotos der Toten. Schließlich wurden daraus Farbaufnahmen. Im Zweiten Weltkrieg wichen christliche Symbole den nationalsozialistischen Zeichen. Der Zweck der Karten blieb dagegen über die Jahrhunderte gleich: Für das engere Umfeld waren die Sterbebilder wichtige Erinnerung, oftmals aufgestellt an einem zentralen Ort in Haus oder Wohnung.

Im Jahr 2012 hatte der Bayrische Landesverband für Familienkunde damit begonnen, Sterbebilder zu digitalisieren. "Mancherorts existieren richtige Sammlungen von mehreren tausend Karten", erzählt Weilnböck. Nur sind diese eben nirgendwo zentral erfasst. Wohl auch, weil es eine mühselige Angelegenheit wäre, wenngleich moderne Scanner gleichzeitig Vorder- und Rückseite der Bilder erfassen können. Knapp 400 000 Stück davon befinden sich Weilnböck zufolge inzwischen in ihrem Digitalarchiv. Wie viele Sterbebilder im Landkreis Ebersberg allerdings noch in Schubladen, Kisten und Dachböden liegen, weiß niemand.

© SZ vom 31.10.2016 / thri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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