Grafing:Schwerelose Sternstunde

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Goldmund-Quartett beim Grafinger Rathauskonzert

Von Ulrich Pfaffenberger, Grafing

In Antonin Dvoraks Humoreske No. 7 gibt es im zweiten Teil, bei verlangsamtem Tempo, eingebettet in einige Ritardandi, eine Stelle, die einem Schmetterlingsschlag gleicht. Ein sanftes Abheben, Schweben, Eintauchen. Hier genau Tempo und Dynamik zu treffen, das ist der schmale Grat zwischen "netter Versuch" und "wie haben die das nur hingekriegt?" Es hätte beim Rathauskonzert am Sonntagabend in Grafing nicht dieses Beweises in der Zugabe bedurft, um das Goldmund Quartett der zweiten Kategorie zuzuordnen. Denn schon die vier zuvor gespielten Werke machten überdeutlich: Hier haben vier Streichmusiker zusammengefunden, die sowohl die Freude an technischer Meisterleistung wie an gedanklicher Freiheit verbindet. Mit dem Ergebnis, dass sie unbeschwert und scheinbar schwerelos musikalischen Hochgenuss servieren.

Nicht immer schmeicheln sie indes damit den Ohren ihrer Zuhörer so, wie sie das zu Beginn des Konzerts mit Josef Haydns Streichquartett G-Dur.op. 77 Nr. 1 und Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett C-Dur KV 465 angeboten haben. Denn mit den drei modernen Miniaturen aus der Commedia dell'arte, wie sie Ana Sokolovic fürs Streichquartett komponiert hat, provoziert das Ensemble die althergebrachten Hörgewohnheiten europäischer Konzertsäle. Wer jedoch schon mal das seltene Vergnügen hatte, einer japanischen Puppenspieloper zu lauschen, wir an den Klopfern, Kratzern, Pizzicatos und Glisandos der Tonbilder seine wahre Freude haben. Mehr als Worte oder Bilder überzeichnen sie die archetypischen Figuren wie den durchtriebenen Brighella und die ihre Liebe tollpatschig-turbulent auslebenden Inamorati so anschaulich und charakteristisch, dass ihre Bilder auf den Tönen der Musik durch die Fantasie des Publikums zu tanzen beginnen. Bei der divenhaften Signora gelingen dem Quartett die Klänge so lebensnah, dass der sonst stumme Chor der Zuhörer ein kräftiges Lachen gen Bühne sendet - das nicht in der Partitur steht, dort aber wohl hingehört.

Das Konzert im Ratssaal zeigt: Florian Schötz (Violine), Pinchas Adt (Violine), Christoph Vandory (Viola) und Raphael Paratore (Violoncello) haben in ihrer noch jungen Karriere zu Recht schon jede Menge Auszeichnungen und Preise erhalten. Der Schlüssel zu Galerie an Lorbeerkränzen, für die andere Ensembles länger haben arbeiten müssen, liegt in einem tief verwurzelten Miteinander, das nicht nur sinfonische, sondern symbiotische Züge trägt. Man kann ja als Zuhörer und Kritiker immer nur vermuten, wie viel Probenarbeit hinter einem so überzeugenden Ergebnis steht, wie es das Goldmund Quartett liefert. Das nahezu blinde Verständnis im stark dialogisch angelegten Zusammenspiel, das instinktive gemeinsame Ausreizen von Tempi und Dynamik sowie der interpretatorische Mut deuten indes auf einen künstlerischen Horizont hin, der das Prädikat "Extraklasse" verdient.

Derlei bekommt man in der Königsdisziplin Streichquartett selten zu hören. Noch seltener ist es mit soviel Spielfreude verbunden. Lustvoll nehmen die vier Musiker an, was die Komponisten ihnen an technischen Möglichkeiten und spielerischer Herausforderung anbieten - und wandeln ihre Begeisterung um in eine Liebe zu Motiven und Figuren, die beispielhaft ist. Wenn wundert es da, dass das abschließende Streichquartett op. 59 Nr. 3 C-Dur von Ludwig van Beethoven zu einer Sternstunde der Grafinger Rathauskonzerte wurde. Davon wird das begeisterte Publikum im vollbesetzten Saal vermutlich noch lange erzählen.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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