Grafing:Schneller zur Energiewende

Lesezeit: 2 min

Stefan Brunnert erläuterte die Ergebnisse der umfassenden Untersuchungen seiner Studenten. (Foto: Christian Endt)

Studenten präsentieren ein Klimaschutzkonzept für Grafing. Sie sehen vor allem im Bereich Photovoltaik große Potenziale

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es stand die Wissenschaft im Mittelpunkt: Kuchendiagramme, Kurvenverläufe und viel vermeintlich trockenes Zahlenwerk. Deshalb hat es am Dienstag im "Kastenwirt" auch mehr als eine Stunde gedauert, bis der erste Applaus fiel. Eine Studentin erzählte da gerade die Geschichte eines mit Photovoltaik-Panels auslegten holländischen Fahrradwegs. Im Sommer wird Strom erzeugt, im Winter der Schnee geschmolzen. Man könne ja auch kleiner anfangen, sagt die junge Frau bei der Präsentation des Grafinger Klimaschutzkonzepts. "Sie könnten zum Beispiel den Schotterweg nach Grafing-Bahnhof so ausbauen, dass die Pendler da gut mit dem Radl hinkommen."

Die acht Masterstudenten der Hochschule Weihenstephan hatten in den vergangenen Monaten allerlei Recherchen angestellt, Rechnungen gelöst und Schlussfolgerungen gezogen. "Es ist sehr gut, wenn die Studierenden an praktischen Beispielen arbeiten können", sagte der betreuende Professor Stefan Brunnert. "Das ist eine wirklich wichtige Basis für das Ziel des Landkreises, um bis zum Jahr 2030 unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein", ordnete Landkreis-Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr das Konzept ein. Deshalb sei es auch sicher keines, das in der Schublade verschwinde, versicherte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Vielmehr entspreche es einem ganz konkreten Handlungsmuster. Die Stadt muss es vorlegen, will sie sich die neue Stelle eines städtischen Energiemanagers fördern lassen. Bislang erledigt die Energiewendefragen Kämmerer Christian Bauer zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben.

Die Methodik hinter dem Konzept ist unkompliziert: Sie legt den aktuellen Energiebedarf zugrunde und das bis zum Jahr 2030 erreichbare Einsparpotenzial. Daraus leitet es die dann noch benötigte Energie ab, um schließlich Optionen aufzuzeigen, wie sich dieser dann sogenannte Primärbedarf mit erneuerbaren Energien decken lässt. Die Potenzialanalysen dahinter rechneten die Studenten durch für Strom, Wärme und Verkehr. Das größte Strom-Potenzial bescheinigt die Studie der Photovoltaik (PV), was aufgrund von sinkender Einspeiseerlöse und Förderungen im Saal erst einmal verwunderte. Doch die Studenten blieben dabei: "Wir gehen davon aus, dass diese Art der Stromgewinnung wieder zunehmend attraktiver wird." Würde ein Drittel der gut geeigneten Dachflächen für Photovoltaik genutzt, ließen sich im Jahr 12,8 MWh erzeugen - immerhin mehr als ein Drittel des heutigen Grafinger Stromverbrauchs von knapp 36 MWh. "Ob man das erreicht ist eine Frage der Information und der Assistenz bei der Umsetzung - Knackpunkt ist, wie man den Leuten die Furcht vor der Investition nimmt." Das Potenzial für Freiflächenanlagen sei ebenfalls hoch. "Das wäre doch etwas für eine Beteiligung durch die Grafinger selbst."

Weniger optimistisch betrachten die Studenten die Optionen beim Wärmeverbrauch. "Das meiste liegt da in der privaten Hand, und man kann den Leuten Investitionen eben nicht vorschreiben." Bei Neubaugebieten sehe es allerdings anders aus. "Da ließen sich relativ problemlos energetische Versorgungskonzepte in den Bebauungsstrukturen verankern - zum Beispiel ein Nahwärmenetz vorschreiben." Beim Altbestand könnte die Stadt so genannte quartiersbezogene Sanierungskonzepte erstellen. "Das wäre eine Art Handlungsleitfaden, an dem sich Leute bedienen können, die bei sich zuhause aktiv werden wollen." Potenzial für Windkraft und Geothermie sehen die Studenten in Grafing weder bei der Stromgewinnung, noch bei der Wärmeerzeugung.

Die bekannten Maßnahmen würden auch den Energieverbrauch im Bereich Verkehr reduzieren. Eine attraktive Infrastruktur für Fahrradfahrer sei das Stichwort. Eine aus Sicht der Studenten zentrale Maßnahme: der Ausbau des Schotterwegs zwischen Grafing und Grafing Bahnhof. Diese Idee ist freilich keine neue und liefert ein treffendes Beispiel für den Unterschied zwischen Theorie und Realität: "Der Plan scheiterte bislang daran, dass uns schlicht der nötige Grund nicht gehört", erklärte Bürgermeisterin Obermayr. Sobald das Konzept endgültig fertig ist, wird es die Stadt Grafing auf ihrer Internetseite hochladen.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: