Grafing:Rollen und tollen

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Timon aus Aßling beweist Muskelkraft: Die Boulderscheibe in der Eishalle wird von den Jugendlichen begeistert genutzt. (Foto: Hinz-Rosin)

Die 15. Skatertage in Grafing bieten neben Skateboardfahren auch einen Kletterparcours und ein Internetcafé

Von Thabo Huntgeburth, Grafing

Ein angenehmer Augusttag und keine Wolke steht am Himmel. Es ist warm, doch die Beach- und Tennisplätze beim Grafinger Eisstadion sind gähnend leer. Der einzige auf dem benachbarten Fußballplatz ist der Platzwart, der den Rasen pflegt. Wo sind die Schüler, die jetzt Ferien und jede Menge Zeit hätten? Im Eisstadion, bei 30 Grad im Schatten. Das klingt zunächst paradox, aber nicht, wenn Skatertage in Grafing sind.

Das Stadion des EHC Klostersee mutet an wie ein Bienenstock. Kreuz und quer schwirren die Kinder mit Inlineskates, Einrädern, Waveboards, BMX-Fahrrädern und Skateboards über den glatten Hallenboden. "Bis zu 150 Teilnehmer haben wir hier pro Tag", erzählt Ibrahim Al-Kass, 52, Sozialpädagoge und Jugendpfleger der Stadt Grafing. Das sei laut Al-Kass, den alle Leute Himo nennen, nicht immer so gewesen. "Als ich vor 15 Jahren die Skatertage ins Leben gerufen habe, war das mit lediglich drei Helfern", berichtet Al-Kass. Die Idee zu dem Ferienprogramm sei vom damaligen Bürgermeister Rudolf Heiler an ihn herangetragen worden. "Er wollte eine Beschäftigung für die Jugendlichen in den ersten zwei Ferienwochen. Damals war Skaten noch in, und weil ich selbst Inliner gefahren bin, hat sich der Skaterpark in Grafing angeboten", erinnert sich Al-Kass.

Heute sieht man nur noch selten Skateboards oder Inlineskates. Selbst der Grafinger Jugendpfleger musste aufgrund von Knieproblemen das Inlineskaten aufgeben und ist zur Zeit nur mit Krücken mobil. "Der Skatepark ist auch nicht mehr konkurrenzfähig", räumt Al-Kass ein. Umso dankbarer sei er gewesen, als der EHC das Stadion als Veranstaltungsort angeboten hat.

Dort flitzen an diesem Nachmittag ein gutes Dutzend Kinder über den glatten Boden. Die elfjährige Emely ist nicht wegen der Möglichkeit gekommen, kostenlos ein Waveboard auszuleihen, "das habe ich selbst auch zu Hause", sagt sie. Emely ist hier "wegen des tollen, glatten Bodens".

Inzwischen kommen oft auch Kindergruppen aus Kirchseeon, Zorneding oder Vaterstetten, die einen Tagesausflug hierher machen. "Ein Mal war sogar eine Gruppe aus Augsburg hier", berichtet Al-Kass. Seit einigen Jahren beteiligt sich auch die Gemeinde Assling mit deren Jugendpfleger Erwin Mehl an den Skatertagen. Bei Organisation und Aufsicht helfen darüber hinaus ehrenamtlich bis zu 20 Jugendliche, die teilweise eigens für die Skatertage eine Jugendleiterausbildung abgeschlossen haben. "Die Jugendlichen lernen hier Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative", schwärmt Al-Kass."Seit 2005 bin ich als Helfer dabei und seit Jahren auch als Jugendleiter", erzählt Evi Kaiser, 20, aus Grafing. Sie sei früher immer zu den Skatertagen gegangen und eines Tages habe Al-Kass sie gefragt, ob sie denn auch als Helfer mitmachen wolle. Zur Zeit sei sie als "Springer" im Einsatz. Sie ist damit quasi Mädchen für alles und packt mit an, wo gerade Not am Mann sei, "und wenn etwas gemacht werden muss, nimmt man eben lieber einen Leiter als einen Helfer". Das sei auch der Grund, warum sie die Ausbildung gemacht habe. "Aber es sieht natürlich auch gut im Lebenslauf aus", erzählt die Lehramtsstudentin für Sport und Englisch.

Laute Musik dröhnt durch die Halle. Ein Mix aus Oldies, Party und Charts, den manchen auf dem Basketballfeld zum Tanzen animiert. Damit die Musik läuft und auch sonst alles am Laufen bleibt, sind die Helfer gleichzeitig im Einsatz. "Das Gute an so vielen Helfern ist, dass sich alle mit unterschiedlichen Sachen auskennen", sagt Al-Kass. So konnte das anfangs lose Programm um feste Veranstaltungen und Workshops wie Jonglieren, Basteln oder Fußballturniere erweitert werden. Auch viele neue Angebote von externen Vereinen wie "Leben bewegt e.V." seien dazu gekommen. "Slacklinekurse, Parcours, Percussionunterricht und ein Clown", zählt Al-Kass auf. Eine großer Gewinn sei dabei auch die Förderung durch Grass21 gewesen. "Durch den Verein Horizonte e.V. bekamen wir nicht nur eine Förderung vom Bund, sondern konnten auch Angebote wie Demokratieworkshops oder den diesjährigen Comicworkshop zum Lernen von Integration und Demokratie für die Kinder verwirklichen", erzählt der Jugendpfleger.

Tatsächlich ist die Halle voll mit Gerätschaften. Ein Kletterparcours, eine sich drehende und schwenkende Boulderscheibe und, wie sollte es anders sein im EHC Stadion, ein kleines Hockeyfeld. An den Basketballkörben versucht ein kleiner Junge sein Glück. Zur Überraschung von allen landet er einen Volltreffer, von dem sich die Großen noch eine Scheibe abschneiden können.

Doch das, was die Skatertage ausmacht ist immer noch der kostenlose Verleih von allerlei Sportgeräten, die Jugendpfleger Al-Kass größtenteils Spenden verdankt. "Die Kinder schwappen immer wieder rein und raus. Vormittags sind meistens mehr da, weil am Nachmittag oft alle ins Freibad gehen."

Auch Stefanie Kettner, 37, aus Grafing schätzt das kostenlose Angebot der Skatertage. "Letztes Jahr war ich schon mit meinen beiden Töchtern hier und habe ihnen das Inlineskaten beigebracht", erzählt sie. Das habe ihren Mädchen so sehr gefallen, dass sie sich gleich eigene Inliner gewünscht haben. Diesmal ist sie mit ihrem vier Jahre alten Sohn da. "Wir haben hier alles von vier bis 99", scherzt Jugendleiterin Sara Broß, 19. Das sei auch gar kein Problem, "solange alle einen Helm auf haben."

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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